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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale
Autoren: D Thomas
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mit größtmöglichem täglichem Arbeitsaufwand, als ob es um nichts anderes ginge, als die gesamte Intelligenz dafür einzusetzen, die Welt seinen Bedürfnissen unterzuordnen, hatten es die Wale geschafft, sich so stark an ihre Umwelt anzupassen, dass sie mit ihr in völliger Harmonie lebten, ohne Arbeitsaufwand, ohne den Zwang, sich Unterkünfte zulegen zu müssen, Besitztümer anzuhäufen, ohne den Kampf, in dem wir uns permanent befinden, um unser Überleben zu sichern. Bei den Walen gab es niemanden, der verhungerte, während andere im Überfluss lebten, keine Technologien und Kriegsmaschinerien, um Artgenossen zu vernichten oder sich untertan zu machen. Wozu also hatten diese Giganten ihre so komplexe Großhirnrinde in den letzten zehn Millionen Jahren entwickelt? Nur um der Freude am Leben willen und um aggressionsfrei miteinander leben zu können?
    »Könnte es sein, dass das, was sie uns in der Lage sind zu vermitteln, um vieles kostbarer ist als alles, was wir ihnen als Gegenleistung anzubieten haben? Könnte das sein, Phil, und wenn ja, warum wollen wir es immer noch nicht begreifen? Wir glauben, dass wir die Einzigen sind, die sich zum Richter über alle anderen Geschöpfe aufspielen dürfen, nur wegen dieses einen Satzes in der Bibel, den wer weiß wer da reingeschrieben hat:›... und machet euch die Erde untertan!‹ Wer zur Hölle hat uns das eingeredet, dass wir glauben, alle Rechte daraus ableiten zu können?! Sind wir die Einzigen, die den richtigen Draht zum Allmächtigen haben?! Ich weiß nicht mehr, ob die Worte von diesem Professor stammen oder von einem anderen, der darauf hinwies, dass 70  Prozent des in der Atmosphäre befindlichen Sauerstoffs vom Plankton in den Meeren produziert werden. Und dass dieses Plankton hauptsächlich durch die Wale kontrolliert wird, die unzählige Tonnen davon jährlich verspeisen. Allerdings wurden in den letzten zwanzig Jahren so viele Wale getötet, dass die Bestände von Blauwalen, Finnwalen, Buckelwalen und Seiwalen von ursprünglich Millionen auf zum Teil ein paar Tausend zurückgegangen sind. Sie gelten biologisch als nahezu ausgestorben. Wer also soll das Plankton in Zukunft am Massenwachstum hindern? Und was passiert, wenn sich durch die rapide Zunahme die Wassertemperatur der Meere weiter erhöht? Kannst du dir nur annähernd vorstellen, was mit unserem Klima passieren wird? Insbesondere, wenn plötzlich noch die Eisberge wegschmelzen? Ein Hurrikan hier und da wird dann das Geringste aller Probleme sein. Und welche Auswirkungen wird die Erwärmung auf das Sauerstoff produzierende Plankton haben? Wird es völlig aussterben? Aber woher soll dann der verdammte Sauerstoff kommen, den wir zum Überleben brauchen? Sind die Wale am Ende die Hüter unserer Atemluft? Wenn sich das bewahrheitet, Phil, dann haben wir die letzten Jahre kräftig russisches Roulette gespielt und nur noch nicht begriffen, dass uns die Kugel längst erwischt hat. Und wenn nicht uns, dann die, die nach uns kommen. Deine Kinder zum Beispiel. Außerdem, wer zum Teufel braucht Walfleisch?«
    Leahs Hände zitterten, als sie einen Schluck aus ihrem Wasserglas nahm. Phil saß ruhig auf seinem Stuhl und schwieg. Leah war ohnehin klar, dass sie mit dem ganzen theoretischen Geredeihre Chancen verspielt hatte. Bevor er sie also mit einem Nein stoppen konnte, nahm sie einen letzten Anlauf.
    »Verdammt, Phil, ich kann doch in deinen Augen sehen, dass dir die Idee gefällt. Es gibt so viel Aufregendes darüber zu berichten! Gerade neulich wurde im Körper eines getöteten Grönlandwals eine unglaubliche Entdeckung gemacht: eine Speerspitze, aus Stein gemeißelt, die über 300 Jahre alt war. Über 300 Jahre hatte sie der Wal mit sich herumgetragen. Untersucht man die Augen getöteter Grönlandwale zwecks Altersspezifizierung, kommt man auf frappierende Ergebnisse: Obwohl die Wale keinerlei Alterserscheinungen zeigen, sind viele über 180, 200 Jahre alt. Wie kann das sein? Also mach dich drauf gefasst, Phil-Darling, David McGregor wird in die Sendung kommen, ihr kriegt bisher unveröffentlichtes Filmmaterial, auch vom Untergang der ›SeaSpirit‹, und wenn du willst, schaff ich dir auch noch mehr Experten vor die Kamera. Dreißig Minuten und ein Banner für die Spenden, das ist alles, was ich will. Weißt du noch, wie du damals diese Sendung mit den Obdachlosen im Studio organisiert hast?«
    »Leah, versuch’s bitte nicht auf die Tour. Das ist lang her, und auch ich hab inzwischen dazugelernt –
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