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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale
Autoren: D Thomas
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erneut klingelte.
    »Phil Conners hier, ich hab gehört, dass du mich sprechen wolltest.«
    »Phil!« Sie strahlte bis über beide Ohren. »Ich hab dich bei NBC nicht erreicht, die sagten, du hast gekündigt!« Leah konnte ihre Freude kaum bändigen. Auf ihrer Liste war Phil Conners der erste gewesen, den sie angerufen hatte. Die beiden verband eine lange Freundschaft, auch wenn sie sich zwischenzeitlich aus den Augen verloren hatten. Seit Ewigkeiten im Fernsehbusiness, war Phil einer der wenigen, die den Mut aufbrachten, auch unkonventionelle Ideen umzusetzen. Damit hatte er gelegentlich einen Flop gelandet, aber auch so manchen Quotenhit. Als manihr mitteilte, dass Phil nicht mehr bei NBC arbeitete, war ihr das wie ein schlechtes Omen vorgekommen.
    »Jetzt bin ich bei KCUY in New York – was hast du auf dem Herzen?«
    »Können wir uns treffen?«
    »Klar, ich werd in drei Wochen ohnehin in Washington sein, da können wir ...«
    »Nein, Phil, ich meine heute Abend. Ich komm zu dir.«
    Wenn Phil über ihre Spontaneität erstaunt war, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. »Ich buch uns einen Tisch, irgendwelche Präferenzen?«
    »Dass du unter fünf Caipirinhas bleibst und ich dich nicht nach Hause tragen muss.«
    »Du übernachtest sowieso bei uns, Martha wird sich freuen.«
    Natürlich würde sich Martha freuen, Martha freute sich schon, wenn Phil überhaupt zu Hause auftauchte.
    »Bin schon auf dem Weg. Aber versprich mir, dass du nüchtern bist, mir aufmerksam zuhörst und dann Ja sagst.«
    G anz nüchtern war er nicht, aber er hörte ihr trotzdem aufmerksam zu und sagte sofort Nein. Sie saßen im angesagtesten Schuppen von Tribeca, passend zu Phils Outfit, der schon immer viel Wert auf sein Äußeres legte. Auf die Frage, wie es ihr ergangen war, schilderte sie die Ereignisse der letzten Monate und ihr Anliegen, eine Sendung über die skandalösen Zustände auf den Meeren zu machen – mit einer Spendenkampagne für ein neues Schiff.
    Im Gegensatz zu Geoffrey schien Phils Bedauern aufrichtig, es änderte nur nichts daran, dass ihr diese Antwort inzwischen zum Hals raushing.
    »Die Meere gehören keinem oder, wenn du so willst, jedem von uns. Wie können sich ein paar wenige das Recht herausnehmen, sie leerzufischen, gnadenlos und ohne Rücksicht auf das Überleben von Delfinen, Walen oder Seevögeln – oder wer auch immer dabei noch zugrunde geht?«
    »Leah, ich weiß, wie ernst dir die Sache ist, aber was soll ich machen? Es geht nicht, es spricht keine unserer Zielgruppen an. Natur und Umwelt – du liebe Zeit, damit musst du schon zu ›National Geographic‹! Außerdem ist es doch ein alter Hut, dass die Japaner Jagd auf Wale machen.«
    Leah war zu verbittert, um darüber lachen zu können. Stattdessen holte sie tief Atem.
    »Hör mir jetzt bitte mal zu. Es sind nicht nur die Japaner, die Wale jagen. Wusstest du, dass die Norweger jedes Jahr Hunderte von Grindwalen abschlachten, egal ob Muttertiere, Kälber oder Bullen? Wusstest du, dass sie die Wale dazu in niedriges Gewässer treiben, wo sie sie mit Fischhaken festhalten, um ihnen bei lebendigem Leib das Muskelgewebe aus dem Rücken zu schneiden?«
    Leah gelang es kaum, ihre Tränen zurückzuhalten, also redete sie schnell weiter.
    »Sie schneiden so lange, bis die Wirbelsäule offen liegt und der Wal, bei den zuckenden Bewegungen, die er vor Schmerzen macht, sich selbst dann das Genick bricht. Und weil das Gemetzel fast den ganzen Tag dauert, schwimmen die anderen Wale im Blut ihrer Artgenossen, bis sie selbst an der Reihe sind. Und weißt du, warum? Einzig und allein, weil sie ihre Freunde niemals im Stich lassen würden! Die halbe Welt ist für die Ausrottung dieser Wesen verantwortlich, und allein diese Tatsache sagt mehr über die Intelligenz des Menschen aus als alles andere. Und wir haben keine verdammten zehn Minuten Sendezeit dafür?«
    Phil, dem nicht gerade wohl in seiner Haut war, wollte etwas erwidern, doch Leah hatte sich so in Fahrt geredet, dass es ihr mittlerweile völlig egal war, ob sie ihn mit ihrer flammenden Rede erschlug oder nicht, es musste einfach raus. Sie suchte nach den Worten eines Professors der Universität von Tokio – David hatte ihr einmal von ihm erzählt. Für ihn gab es in der Welt der Säugetiere zwei Gipfel der Schöpfung: Wir und die Wale. Während der Mensch all seine Anstrengung darauf verwendete, überleben zu können, sich Nahrung, ein Heim und die Möglichkeit des Transportes anzueignen, und das alles
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