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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter
Autoren: Gaby Hauptmann
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SMS schreiben? »Na, Steffi, Busenfreundin, wo steckst du eigentlich? Ist NY noch immer so aufregend schön?« So etwa?
    Vielleicht war das keine so gute Idee, aber es reizte sie trotzdem. Da bemerkte sie, dass sie kein Netz mehr hatte.
    »Nils, haben Sie auch kein Netz mehr? Oder kann ich ein anderes wählen?«
    Er warf nur einen kurzen Blick auf sein Handy.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf und deutete nach oben zum Schiebedach. »Über uns wachsen die Bäume gerade zu, da schaut kein Satellit mehr durch.«
    Dann kann ich meine Kripo-Visitenkarten von Filip auch abhaken, dachte Ella. Und so oder so, jetzt wäre es sowieso zu spät.
    Durch die Bäume schimmerten wage die Umrisse eines Hauses. »Na, also!«
    Ella legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Halten Sie bitte an.«
    »Hier?«
    »Ja, hier. Und machen Sie bitte den Motor aus – oder besser noch, drehen Sie den Wagen startbereit um. Aber leise!«
    »Bringen Sie uns in Gefahr?« Wieder dieser kritische Blick im Rückspiegel, wie damals bei Nils Bootshaus.
    »Nein, ich will nur etwas überprüfen.«
    »Soll ich mitkommen?« Irgendwie sah er in seinem karierten Flanellhemd und mit seinem Pferdeschwanz so vertrauenerweckend und stark aus, dass sie fast ja gesagt hätte.
    »Nein, nein«, Ella winkte ab. »Ich bin gleich wieder da!«
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie holte noch einmal tief Luft, öffnete die Autotür, drückte sie leise hinter sich zu und ging auf das Haus zu. Täuschte sie sich, oder waren das hier frische Autospuren? Aber sie war kein Pfadfinder, sicher war sie sich nicht. Und wenn doch, so konnte es auch der Jagdaufseher gewesen sein oder ein Tourist. Oder sonst jemand.
    Sie versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen. Hinter sich hörte sie, wie Nils den Wagen wendete.
    Im Notfall konnte sie noch immer zu dem Wagen sprinten und sich in Sicherheit bringen. Der Gedanke beruhigte sie.
    Sie hatte den Waldsaum hinter sich gelassen und stand nun hinter dem letzten Baum vor der Hütte. Es war ein originales Blockhaus wie aus der kanadischen Wildnis. Sie kam von der Seite darauf zu und konnte jetzt auch den sanft abfallenden Hang sehen, der gut dreihundert Meter weiter in einen smaragdgrün leuchtenden See überging. Für so einen idyllischen Platz erschien ihr das zweistöckige Haus fast zu wuchtig. Seitlich war das Dach tief heruntergezogen, und es gab nur zwei kleine Fenster. Ob jemand da war oder nicht, konnte sie nicht erkennen. Kein offenes Fenster, kein Auto, kein Fahrrad, kein Boot, das irgendwie benutzt aussah. Nur ein Ruderboot, das umgedreht am Ufer lag.
    Ella betrachtete die kleinen Wellen auf dem See und die verschiedenen Farbschattierungen. Die helle Smaragdfarbe wich recht schnell einem dunklen Moosgrün. Der See sah zugleich einladend und abschreckend aus.
    Ella wagte sich ein paar Schritte nach vorn. Von hier aus konnte sie die Front mit der großen Holzterrasse sehen. Die Stufen führten seitlich am Haus hoch, und in der Mitte der Terrasse befand sich die hölzerne Eingangstür, sie war geschlossen, wie auch die großen Sprossenfenster rechts und links. Ella atmete auf. Also hatte Malin Unrecht gehabt. Hier war alles verlassen.
    Sie würde sich jetzt nur noch schnell überzeugen, dass wirklich keiner da war, damit sie zügig und zufrieden den Heimweg antreten konnte.
    Es raschelte im Gebüsch, ein Tier huschte vor ihr über den Weg. Ella erschrak, dann lachte sie über sich selbst. Überall waren Geräusche, überall bewegten sich die Tannen und Laubbäume, der Wald lebte. Vögel zwitscherten, Enten schnatterten, und Mücken surrten. Es war ein schöner Spätsommertag, dachte sie, da passiert nichts Böses, da freut sich die Natur über die letzten Sonnengaben.
    Ella ging auf die Terrasse zu und fasste beim Hinaufgehen die Hauswand an. Die runden Balken waren sonnendurchglüht. Es musste schön sein, hier an einem Sommerabend auf dem Balkon zu sitzen, ein kühles Bier zu trinken und auf den See hinauszuschauen. Vielleicht wurde sie ja doch noch zur Romantikerin.
    Sie konnte nicht ins Haus hineinsehen. Dazu war es drinnen zu düster. In den Scheiben spiegelte sich der See, und Ella sah sich selbst im Fenster gespiegelt. Gleich würde sie wieder weg sein.
    Sie drückte die Klinke hinunter und wunderte sich mehr, als dass sie erschrak, wie leicht und geschmeidig sich die Tür öffnen ließ. Der Innenraum war trotz der großen Fenster dunkel, und noch vom Außenlicht geblendet, sah sie zunächst gar nichts. Unentschlossen blieb sie in
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