Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter
Autoren: Gaby Hauptmann
Vom Netzwerk:
Taxi.
    Sie rief an der Rezeption an und fragte nach Siri.
    »Na, Hübsche«, sagte Siri, »das war ja ein tolles Champagnerhappening. Unser Kellner war ganz aus dem Häuschen, so eine Flasche verkauft er höchstens einmal im Jahr, wenn überhaupt.«
    Ella verkniff es sich, nach dem Preis zu fragen. Was konnte so eine Flasche Champagner schon kosten? Sie schätzte, wenn es hoch kam, zweihundert Euro. Das war zwar viel, aber deswegen musste ein Kellner ja nicht gleich ohnmächtig werden.
    »Wenn dein Verehrer siebentausendsechshundert Kronen für eine Flasche Schampus springen lässt, dann habt ihr ja ganz schön was zu feiern. Hat er Geburtstag? Dann müssen wir als Hotel ja auch noch gratulieren. Vielleicht mit einer kleinen Geburtstagstorte?«
    »Sieben … was?«
    »Na ja, Jahrgangschampagner. Der ist ja im Einkauf schon fast unbezahlbar.«
    Siebentausendsechshundert Kronen, dachte Ella. Siebenhundertsechzig Euro? Hatte sie sich verhört?
    »Nein«, sagte sie schnell, »Geburtstag hat er nicht, ich glaube, er hat sich nur über einen guten Geschäftsabschluss gefreut!«
    »Na, der muss ja richtig gut gewesen sein!« Sie hörte an Siris Stimme, wie sie vergnügt das Gesicht verzog.
    »Was anderes, Siri, war die Frau mit der Baseballmütze noch einmal da?«
    »Nein, zumindest habe ich sie nicht gesehen. Soll ich nachfragen?«
    »Nein, lass nur«, sagte Ella. »Aber könntest du mir bitte ein Taxi bestellen? Ich hätte da noch eine Adresse, wo ich hinsollte. Liegt ein bisschen außerhalb.«
    Diesmal überprüfte Ella den Akkustand ihres Smartphones, steckte Filips Visitenkarte ein, zog ihre einzigen festen Schuhe an, stopfte ihren wärmsten Pullover in ihre Tasche und schlüpfte in ihre Regenjacke. Am liebsten hätte sie noch eine Taschenlampe und einen Revolver eingesteckt. Zumindest für die Taschenlampe gab es ein App auf ihrem Smartphone, für den Revolver leider noch nicht. Dann schrieb sie Roger einen kurzen Brief. » Lieber Roger, vielleicht ist es Inka, die jetzt so drängt. Ich denke, sie will Ella etwas zeigen. Und so lange das alles nicht geklärt ist, wird sie keine Ruhe geben, weder hier noch in Frankfurt oder in Paris. Also gehen wir jetzt los, die Sache hinter uns zu bringen. Sorg dich nicht, zu zweit sind wir stark! « Sie legte das Schreiben auf das Kopfkissen, ohne es noch einmal zu lesen. Ihr Text wäre ihr bestimmt zu komisch vorgekommen, und möglicherweise hätte sie den Zettel gleich wieder zerknüllt.
    In der Lobby trat Ella aus dem Lift und sah Siri mit dem Taxifahrer an der Rezeption fröhlich palavern. Es war der vom letzten Ausflug. Kaum erkannte er sie, kam er auch schon auf sie zugelaufen. Der missmutige Gesichtsausdruck war verschwunden, der ganze Kerl strahlte vor Glück. Er überschüttete sie gleich mit einem Schwall schwedischer Worte und ging nahtlos ins Englische über, als ihm einfiel, dass sie ja kein Schwedisch verstand. Er entschuldigte sich wortreich bei ihr und erzählte, dass er sehr plötzlich hatte losfahren müssen – seine Frau hatte vorzeitig Wehen bekommen, und nun war er stolzer Vater einer Tochter.
    Ella wehrte ab. Ja, es sei nicht schlimm gewesen, sie hätte sich einfach Sorgen gemacht, wo er abgeblieben sei.
    Er lachte wieder. »Ja, das war vielleicht eine Aufregung!« Aber diese Taxifahrt sei dafür nun gratis, versicherte er ihr, sie könne bis ans Ende der Welt wollen, aber um acht Uhr müsse er wieder in der Klinik sein, das habe er versprochen.
    Ella nickte. Sein Lachen steckte an und sein Glück, das aus ihm heraussprudelte. Warum kann ich nicht so glücklich sein, dachte sie, alle Zeichen stehen bei mir doch auch auf Glück?
    Er ging vor ihr her, und selbst seine zusammengebundenen, halb langen Haare schienen fröhlich im Takt seiner Schritte zu wippen.
    »Ich heiße übrigens Nils«, sagte er, als er ihr die Wagentür aufhielt. Noch ein Nils, dachte Ella. Vielleicht war das ja ein Zeichen?
    »Und wo soll es hingehen?«
    Ella reichte ihm ihr Smartphone mit der Adresse vor, und er gab sein Ziel an die Zentrale weiter.
    »Nicht gerade bis zum Ende der Welt«, sagte er gut gelaunt, als er ihr das Smartphone zurückgab, »aber fast …«
    Ella beugte sich etwas zu ihm vor. »Ich habe keine Ahnung, wo das ist – und außerdem sind eineinhalb Stunden für siebzig Kilometer doch wohl reichlich übertrieben?«
    »Wenn man zwischendurch Bäume wegräumen muss, die über der Fahrbahn liegen, oder einen Elch zum Aufstehen bewegen will, der zwischen zwei Spurrillen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher