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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter
Autoren: Gaby Hauptmann
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dich muss man nicht aufpassen«, er lächelte. »Das sage ich auch immer. Und trotzdem ist es schön, wenn jemand da ist, den das kümmert, was du tust. Einer, der nicht seinen eigenen Vorteil in dem sucht, was der andere tut, der den anderen machen lässt, wenn er damit glücklich ist und dessen Glück unterstützt.«
    Ella dachte an Ben. Wer hatte da wen unterstützt? Eigentlich keiner den anderen. Aber zumindest hatte auch keiner den anderen ausgenommen. Weder finanziell noch emotional. Sie hatten in einem Gleichklang gelebt wie Händchen haltende Vorschulkinder.
    »Und wenn ich nicht gleich einen Job finde?«, fragte sie.
    »Du wirst etwas finden. Etwas, das dir Spaß macht und dir liegt. Das deinen Neigungen entspricht. Es müssen ja keine Immobilien sein … oder würdest du das gern machen?«
    Ella überlegte. Im großen Stil waren Immobilien sicherlich aufregend. Richtige Liegenschaften zu kaufen und wieder zu verkaufen war etwas anderes, als kleine Wohneinheiten zu verkaufen oder Mieter zu suchen und mäkelnde Vermieter zufriedenzustellen.
    »Aber wenn ich dann nichts verdiene?«
    »Wenn ich dich zu mir einlade, darfst du dir darüber keine Gedanken machen, sonst ist es ja keine Einladung. Dann ist es eine Verabredung zu gleichen Teilen.«
    Ella nickte und hob ihr Glas. »Ich hoffe, du übernimmst dich nicht!«
    »Da bin ich mir sicher!«
    Ella war der Champagner zu Kopf gestiegen, sie hatte sich hinlegen müssen. »Nur für eine halbe Stunde«, hatte sie kichernd gemeint und fühlte sich bereits im Aufzug ziemlich schwerelos. »Oje«, sagte sie, als sie mit Roger vor dem Bett stand. »Da waren irgendwelche Drogen drin. Champagner allein haut mich doch nicht um … oder doch?«
    Roger küsste sie auf die Stirn. »Wie eine Sechzehnjährige«, sagte er und zog ihr die Schuhe aus. »Entspann dich, ich hab noch was zu erledigen, also: feel free.«
    Feel free, dachte Ella, fühl dich frei. Aber kaum lag sie im Bett, überfielen sie die Phantasien. Was, wenn Steffi plötzlich hier klopfte? Oder, noch schlimmer, sich einen Nachschlüssel besorgt hatte? Konnte Ella das wirklich ausschließen?
    In diesem Moment klingelte ihr Smartphone. Erschrocken angelte sie danach. Eine Nummer, die sie nicht kannte. Eine schwedische Nummer.
    »Ja, Weiss«, meldete sie sich leise. »Hallo?«
    Auf der anderen Seite war es zunächst still, dann ein Räuspern. Ella wollte gerade wieder auflegen, als jemand: »Ich muss Sie sprechen«, sagte. Auf Englisch.
    Ella zögerte. »Wer sind Sie?«
    »Malin. Die Schwester von Inger.«
    Die Schwester? Das war doch nur die halbe Wahrheit, dachte Ella.
    »Woher haben Sie meine Telefonnummer?«
    »Sie haben sie meiner Schwester gegeben. Das war nicht schwer.«
    Ella richtete sich auf. Das beschwingte Champagnergefühl war wie weggeblasen.
    »Und weshalb rufen Sie an?«
    Es war kurz still, und Ella presste ihr Smartphone ans Ohr. Sie saß kerzengerade.
    »Sie haben heute Nachmittag mit meiner Schwester telefoniert. Seitdem ist sie in Aufruhr. Noch mehr in Aufruhr, als sie es ohnehin schon war, nachdem sie Sie kennengelernt hatte.«
    »Dafür kann ich nichts«, sagte Ella. »Das ist eine schicksalhafte Fügung gewesen.«
    »Den meisten schicksalhaften Fügungen wird von irgendwoher nachgeholfen«, erklärte Malin mit einem düsteren Unterton.
    »Ist etwas passiert?«
    »Bisher noch nicht. Aber ich weiß, dass etwas passieren wird. Meine Schwester ist auf dem Weg zu Nils’ Bootshaus. Sie versinkt in Verlustschmerz und kennt keine Gegenwart und keine Zukunft mehr.«
    »Sie hat ihn eben geliebt.«
    Wieder war es still.
    »Was ist Liebe, wenn man dadurch seiner Zukunft beraubt wird?«
    Ella zog die Augenbrauen zusammen. Hatte sie richtig gehört? »Wie meinen Sie das?«
    »Er hat sie heruntergezogen mit seiner Düsternis. Und dann hat sie ihm Malunterricht gegeben, anstatt selbst zu malen. Sie hat vorher glänzend verkauft. Plötzlich war das alles nicht mehr wichtig. Jedes Lächeln, das sie ihm entlockte, war wichtiger als ihre Kunst.«
    Ella stand auf. Sitzend hielt sie das jetzt nicht mehr aus. »Wissen Sie«, begann sie, »wissen Sie«, wiederholte sie, »was mit ihm passiert ist?«
    Wieder war es still. Ella ging zum Fenster und schaute auf die Straße, ohne etwas von dem, was sie sah, aufzunehmen. »Wissen Sie, was mit ihm passiert ist?«
    »Nein«, kam es endlich, »das weiß ich nicht!«
    »Und warum erzählen Sie mir das dann?«
    »Weil ich nicht weiß, wo das endet, wenn Inger in sein Bootshaus
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