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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Autoren: Frank Patalong
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VORGESCHICHTE
    Mein erster Vibrator
    Es gab bessere Plätze, einen Tapeziertisch mit Trödel aufzustellen, als an der Ecke, wo die zum unteren alten Stadttor hinabführende Straße auf den Bärenklaupfad trifft. Das war deutlich abseits vom Hauptstrom der Trödelmarkt-Besucher, die sich durch die Gassen des Kleinstädtchens schoben. Unterhalb der Ecke gab es nur noch sehr wenige Stände und hinter dem Tor den Parkplatz: Wer hier vorbeikam, hatte den Trödel eigentlich schon hinter sich.
    An diesem Tag stand dort noch ein Tisch, und dahinter saß ein junges Mädchen, eine Anfängerin – zu spät aufgestanden vermutlich. Trödelmärkte sind ein hartes Geschäft.
    Die Trödelmärkte der Stadt Blankenberg, eines idyllischen Fleckchens im rheinischen Süden von NRW, sind legendär. Eine mittelalterlich geprägte Bilderbuchsiedlung ist Blankenberg, das mit seiner Burg und seiner weitgehend erhaltenen Stadtmauer auf einem rund 80 Meter hohen Fels über der Sieg thront. Der Blick von dort oben ist die reine Idylle. Das Flusstal liegt weit unter dem Betrachter, eine Aue zwischen Höhenzügen. Nur entlang der Straße kann man einige wenige Häuser erkennen, wenn man genau hinsieht. Schräg gegenüber liegt ein Höhenzug, der das Tal zur anderen Seite steil einfasst, und das Ende der Welt, wie die Kinder hier sagen: Ein Fels, von dem sich in der warmen Jahreshälfte die Drachenflieger in die Tiefe stürzen. Man begreift, warum hier einst eine Burg gebaut wurde. Doch trotz seiner langen Geschichte, die bis ins Jahr 1171 zurückreicht, bringt es Blankenberg bis heute nur auf rund 660 Einwohner. Warum das so ist, begreift man, wenn man sich über den so beliebten wie empfehlenswerten Trödelmarkt schiebt: Hier ist einfach nicht mehr Platz.
    Denn die Gassen sind eng, die Häuser sind alt, und das Ambiente ist nostalgisch-rustikal. Provinz nennt man das wohl, und noch vor wenigen Jahrzehnten war es ganz schön weitab vom Schuss. Vielleicht braucht es solch einen Ort, um noch einen wahren Trödelmarkt zu veranstalten. Neuware aus Osteuropa und der Türkei sucht man hier vergeblich. Dafür findet man lackierungsbedürftige Mandolinen, wenn man will. Oder alte Milchkannen, Lampen aus beinahe echtem Messing oder die Anwerfkurbel eines Oldtimers. Und wenn man genau hinsieht, entdeckt man vielleicht sogar Schätze, wie man sie bis dahin noch nicht gesehen hat.
    Mein Schatz lag auf einem Tapeziertisch in der zweiten Reihe. Ebenso wenig eine gute Lage, wenn man so will; und dem jungen Mädchen, das hinter dem Tisch gelangweilt auf einem Camping-Klappstuhl saß, war das ins Gesicht geschrieben. Dicht an dicht lagen ihre Waren auf der Tischfläche, unwahrscheinlich, dass es in ihrem Portemonnaie ähnlich voll aussah. Was sie anzubieten hatte, waren Familienschätze, die nun wirklich niemand mehr gebrauchen konnte: ziseliertes Besteck, ornamentiertes Geschirr, arg rustikaler Wandschmuck, dazu einst von Kinderhänden getöpferte Kunstwerke, für die sich ein Handwerker des Paläolithikums geschämt hätte, und andere Kostbarkeiten – und mittendrin ein schwarzer, mit einer Art billigem Kunstleder beschichteter Holzkasten.
    Darin: eine seltsame Apparatur.
    Auf den ersten Blick war eine Art Transformator zu erkennen, dazu ein längliches Aufnahmestück für einzusteckende Einsätze, mit Schieberegler und Kabel. Zusätzlich eine kleine Auswahl exotisch geformter Glasröhren mit einem metallenen Kontakt am Ende, offenbar zur Einführung in den schwarzen Handhalter. Das alles hatte man fein säuberlich mit Metallklammern im oberen und unteren Teil des Kastens fixiert, auf dass es nicht herumfliege und zerbreche. Innen war der Kasten mit violettem Samt ausgeschlagen. Mein Interesse war geweckt.
    »Was ist denn das?«, fragte ich das Mädchen.
    Sie sprang auf, als habe ihr Wecker geklingelt. Mit flatternden Händen kramte sie den Kasten aus dem Trödelwust und hielt ihn mir entgegen.
    »Weiß nicht genau«, sagte sie, »ist von meiner Oma!«
    Und dann erzählte sie, das Ding habe mit Gesundheit zu tun, dass ihre Oma es echt gern gehabt habe, es nun aber kaputt sei wegen des angeschmorten Kabels. Was man jedoch sicher wieder reparieren könne.
    Ich schaute mir den Apparat derweil näher an. »Frequenta« stand auf einer am unteren Ende des Trafos angebrachten Plakette, »Velmag Leipzig« und »Erdschlussfrei«. In der Mitte des Trafos sah man eine Art Potentiometer, einen Drehknopf, mit dem man irgendetwas regulierte. Die Stromstärke? Eine
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