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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter
Autoren: Gaby Hauptmann
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gerade seinen Mittagsschlaf hält, dann eher nicht.«
    »Das ist also eine ziemlich einsame Adresse?«
    »Ein Navi würde sie wohl kaum kennen. Aber ich bin manchmal zum Jagen in dieser Gegend, ich werde das schon finden.« Er warf ihr im Rückspiegel einen Blick zu, während er sich in den Verkehr einfädelte, »aber langsam frage ich mich schon, welchen Reiz solche einsamen Plätze auf Sie ausüben?«
    Excitement hatte er gesagt. Meinte er wirklich »Reiz«? Ella war sich nicht sicher, ob sie das Wort richtig übersetzt hatte, und bat ihn um ein englisches Synonym.
    »Thrill« , wiederholte er. Also Thrill war eindeutig. Nervenkitzel.
    Schlussendlich war es auch egal, entschied sie. Wichtiger war die Frage, ob sie diese Hütte jemals finden würden, und noch wichtiger war, was sie dort erwartete. Und wer. Der Gedanke erschreckte sie, und sie verbat sich, weiter darüber nachzudenken.
    Ella ließ sich gern durch Stockholm fahren. Es war stets aufs Neue interessant, fand sie, und besonders heute, da ihr der Taxifahrer leutselig die Viertel erklärte, die sie durchquerten. Dass ganze Pariser Stadtteile kopiert worden seien, weil die aufstrebende Stockholmer Oberklasse den französischen Klassizismus so trendy fand, und dass im Ersten Weltkrieg in den großen Parks statt Blumen Kohl gepflanzt worden war. Na ja, dachte Ella, eigentlich war das auch einleuchtend, wer pflanzte schon Zierblumen, wenn er Hunger hatte?
    Ihre Apps fielen ihr ein. Die Taschenlampe war kein Problem, und das Blitzlicht strahlte tatsächlich hell und ausdauernd und hatte sogar noch eine SOS -Funktion. Auch verschiedene Revolver wurden zu ihrer Überraschung angeboten. Aber sie wollte eigentlich nur einen Schuss, der sich einigermaßen echt anhörte. Aber wie sollte sie das nun testen, ohne dass Nils vor Schreck vom Lenkrad fiel?
    Sie verzichtete auf den Revolver und ging einfach davon aus, dass die Hütte sowieso verstaubt und gähnend leer war. Fast wäre ihr das am liebsten gewesen. Und dann würde sie mit Roger nach Paris fahren und ein neues Leben anfangen, fernab dieser Abinacht, fernab dieses Schicksalsees. Und fernab ihrer Zwillingsschwester.
    Irgendwann sagte Nils: »So, Achtung, jetzt schlagen wir uns in die Wälder!«
    Den Eindruck hatte Ella sowieso schon gehabt. Um sie herum war es seit Kilometern nur grün, Straßen zweigten ab, aber sie sah kaum Hinweisschilder.
    »Wie orientiert man sich hier bloß?«, wollte sie wissen.
    »Indem man seine Heimat kennt.«
    Oha, dachte Ella. Da war sie wohl ziemlich heimatlos, denn sobald sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen wurde, brauchte sie ein Navi oder eine Landkarte.
    »Und je weiter westlich wir kommen, desto schöner wird es«, schwärmte Nils. »Wölfe, Luchse und Vielfraße, das gibt es hier alles noch. Und natürlich Elche und Biber.«
    »Ah«, machte Ella. »Setzen Sie mich bloß nicht aus!«
    »Wir kommen heute leider nicht so weit. Vielleicht können Sie mich einfach mal frühmorgens buchen? Dann schaffen wir auch das!«
    »Wir haben in Frankfurt einen schönen Zoo«, sagte sie. »Da gibt es dazu auch noch Bären!«
    Es traf sie ein mitleidiger Blick durch den Rückspiegel, und Nils verstummte.
    »Nein«, schwindelte sie schließlich, weil es ihr zu still wurde, »Nils, das war ein Witz!«
    »Dachte ich mir schon«, antwortete er einsilbig.
    »Und was jagen Sie? Haben Sie hier irgendwo eine Jagdhütte? Und ziehen Sie ganz alleine los?«
    Er warf erneut einen Blick in den Rückspiegel, und sie heuchelte mit großen Rehaugen und vorgebeugtem Kopf Interesse. Alles besser als ihre eigenen Gedanken, die sie nur verwirrten. Sie brauchte ja nicht wirklich zuzuhören, sondern nur dann und wann seine Begeisterung zu teilen.
    Irgendwann glitt ihr Blick heimlich zur Uhr. Sie waren schon über eine Stunde unterwegs. Lang konnte es nicht mehr dauern. Ihre Aufregung wuchs, und Nils hatte recht. Die Straße glich nun eher einem Weg mit tiefen Furchen.
    »Ich hätte meinen Jeep nehmen sollen«, murmelte Nils. »Das nächste Mal bitte eine kurze Info, dann fahren wir privat, wir wollen hier ja auch wieder herauskommen.« Sein Blick verdunkelte sich kurz im Rückspiegel, und Ella wusste, dass er jetzt an seine Frau und an seine klitzekleine Tochter dachte.
    Dass Roger sich noch nicht gemeldet hatte. Ob er noch gar nicht wieder im Hotelzimmer eingetroffen war? Offensichtlich nicht, sonst hätte er doch wohl gleich reagiert. Ella checkte ihre Kurznachrichten. Nichts. Sollte sie Steffi endlich eine
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