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Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
Autoren: Sergio Bambaren
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machen. »Der Weg lief auseinander und ich – ich schlug den einen ein, den weniger begangenen, und dies war der ganze Unterschied.« So ist das, Daniel. Ich wollte alles in vollen Zügen erleben, aber ich eilte nicht durch die Welt. Ich blieb auch mal stehen, um an einer Rose zu riechen. Ich ließ nie von meinen Träumen ab und hörte immer auf die Stimme meines Herzens, denn sie ist unsere Freundin fürs Leben.
    Ich möchte Dir gern ein Geheimnis anvertrauen, Daniel. Nicht die Anzahl der Lebensjahre ist wichtig, sondern wie Du mit Deiner Zeit umgehst; ob Du innehältst und den Sonnenuntergang betrachtest oder einen Kolibri bestaunst, anstatt Tag für Tag nur zur Arbeit und wieder nach Hause zu fahren und nur den Asphalt vor Dir zu sehen; ob Du hin und wieder die Regeln brichst, anstatt den Ängsten nachzugeben, die nur in Deinem Kopf existieren.

    Irgendwann musst Du Dich also entscheiden, Daniel, ob Du Dein Leben nach Deinen eigenen Bedürfnissen lebst und einen Weg einschlägst, der manchmal sehr einsam sein kann. Oder ob Du mit dem Strom schwimmst, wo Du Dich inmitten der vielen Menschen sicher fühlen magst. Aber diese Sicherheit ist nicht von Dauer, denn früher oder später kommt der Tag, an dem sich jeder Mensch im Spiegel seiner Seele betrachten muss. Und glaub mir, dies ist dann der glücklichste oder aber der traurigste Tag im Leben.
    Du bist mit einem freien Willen geboren, Daniel,
vergiss das nicht. Ich bin in meinem Leben immer
nur meinen Träumen gefolgt und habe nie zurückgeblickt. Nie.
    Versuche immer, die Welt mit Deinen eigenen Augen zu sehen, Daniel, niemals mit den Augen der anderen.

IV
    Dank meinen Eltern und meiner eigenen Erfahrungen lernte ich, mein Leben nach Prinzipien auszurichten und nicht nach Traditionen.
    Rückblickend fühle ich mich gesegnet, dass meine Eltern mir Prinzipien vermittelt haben, nach denen ich mich größtenteils noch heute richte: Man soll nicht über seine finanziellen Verhältnisse leben und immer versuchen, das Richtige zu tun; wenn man einen Fehler macht, muss man so aufrichtig sein, ihn auch einzugestehen, und sich gegebenenfalls dafür entschuldigen – dann kann man seinen Weg weitergehen; angenommen, man verdient hundert Dollar, dann soll man so leben, als hätte man nur achtzig, und sich anderen gegenüber so verhalten, als hätte man nur fünfzig; wer ein Problem hat, das sich mit Geld lösen lässt, der hat gar kein Problem; der größte Reichtum ist grundsätzlich Gesundheit und Seelenfrieden.
    Doch am dankbarsten bin ich meinen Eltern, dass sie mir schon als Kind den Wert einer Sache klargemacht und mir gezeigt haben, dass man sich anstrengen muss, wenn man etwas erreichen will. Und damit komme ich wieder auf meinen größten Kindheitstraum zurück: das »Hawaiian Surfboard«. Mein Vater hätte mir ohne Weiteres das beste Brett kaufen können, das es damals gab. Stattdessen aber schlug er mir einen Deal vor: »Ich besorge dir einen Job, den du nach der Schule machen kannst. Das verdiente Geld sparst du, und wenn du eine bestimmte Summe zusammenhast, lege ich den Rest obendrauf. Dann gehen wir zusammen dein Traumboard kaufen.«
    Seit dem »Geheimpakt« zwischen meinem Vater und mir sind viele Jahre vergangen. Meiner Mutter sagten wir damals kein Wort – sie wäre krank geworden vor Angst und hätte sich all die Gefahren ausgemalt, denen ich, mitunter ganz allein, in der Brandung ausgesetzt sein würde. Schließlich war ich damals erst sieben Jahre alt. Aber nichts konnte mich aufhalten. Durch wogende Wände smaragdgrünen Wassers zu gleiten hatte mich in Bann geschlagen. Also begann ich, für meinen Traum zu arbeiten. Ich musste Opfer bringen, denn ich konnte nicht mehr so oft mit meinen Freunden auf dem alten, erhabenen Baum sitzen. Von meinem Taschengeld kaufte ich mir ab und zu eine Surfzeitschrift, aus der ich nach jedem Arbeitstag vorsichtig eine Seite ausschnitt und in meinem Zimmer an die Wand hängte – an meine »Traumwand«. Berühmte Surfer, die in allen möglichen Teilen der Welt die Wellen ritten, blickten mich jeden Abend vor dem Schlafengehen von den Wänden herab an, wenn ich müde, aber glücklich nach der Arbeit in einer Eisenwarenhandlung in mein Zimmer kam. Das Geschäft gehörte einem Freund meines Großvaters, ich musste Ordnung im Laden halten, die Fenster putzen und den Boden wischen.
     
    Der Sommer verging. Nach drei Monaten anstrengender Arbeit fand ich, dass ich ausreichend Geld gespart hatte und meinen Vater um die
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