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Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
Autoren: Sergio Bambaren
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viele wichtige Dinge gelernt habe, indem ich den weniger begangenen Weg eingeschlagen habe.
     
    Meine Mutter hatte die Angewohnheit, ihre Herzensgedanken auf kleine Zettel zu schreiben und sie in mein Bett zu legen; und wenn ich am Morgen die Augen aufschlug, konnte ich sie lesen. Ihre Sicht der Welt und das Gefühl ihres Herzens machten mich mit dem Leben vertraut.
     
    Nun will ich mein Bestes geben, auch Dir, mein geliebter Daniel, so ein Geschenk zu machen.
    Versprochen.

 

ich bin Sergio, der Mann, den man Deinen Vater nennt – zumindest in der Welt, in der wir leben.
    Ich sehe das so, Daniel: Ich bin der Mensch, der den Samen des Lebens in den Bauch Deiner schönen Mutter gelegt hat. Nachdem Du das nun weißt, bin ich für Dich ganz einfach Sergio. Aber wenn Du mich Vater nennen willst, ist mir das auch recht.
    Daniel, Du sollst wissen, dass ich früher nie daran dachte, Kinder zu haben. Ich glaubte, dass läge nicht in meinen Genen. Doch nach all den Jahren, die verstrichen sind und die mir so vieles geschenkt haben, ohne je eine Gegenleistung von mir zu fordern, sah ich auf einmal all diese kleinen Menschen um mich herumtoben – und komisch, ja, in meinem Herzen änderte sich etwas ganz tief greifend. Seitdem fühle ich mich Kindern auf ganz besondere Weise verbunden. Vielleicht wegen ihrer Unschuld; vielleicht weil ich sie dafür bewundere, dass sie mit den einfachen Dingen des Lebens so glücklich sind. Tag für Tag erleben sie das Leben als ein neues Abenteuer, ohne sich darum zu sorgen, was die Zukunft bringen mag. Sie genießen einfach den Moment, als gäbe es kein Morgen, sie leben im Hier und Jetzt. So wie Du, Daniel.
    Ja, mein geliebtes Kind, ich staune noch immer, wie viel tolles Spielzeug Du hast, wie viele »modische« Kleider – alles, was sich ein Erwachsener nur wünschen kann. Dennoch ist Dein Lieblingsspielzeug eine leere Flasche Babyshampoo. Du könntest gut ohne all die Sachen leben, die sich in Deinem Zimmer stapeln. Doch wehe, jemand würde versuchen, Dir Deine Shampooflasche wegzunehmen …! Sie ist Dein gehüteter Schatz.
    Oskar, unser kleiner Scotchterrier, der mit der Zeit einer Deiner besten Freunde geworden ist, hat auch so einen Schatz. Vor ein paar Jahren saß ich am Strand und sah aufs Meer hinaus. Ich fand einen schönen Kieselstein, nahm ihn mit nach Hause und gab ihn Oskar zum Spielen. Seit diesem Tag ließ er seine Kauknochen und das andere Spielzeug, das wir ihm gegeben hatten, links liegen – nur den Kieselstein nimmt er mit in seine Hundehütte. Er hütet ihn wie einen Schatz. So wie Du Deine leere Plastikflasche.
    Vielleicht weißt Du es noch nicht, Daniel – aber so wie Du mich manchmal ansiehst, denke ich, Du spürst bestimmt, dass Du einer der wundervollsten Schätze bist, die das Leben mir geschenkt hat. Nicht weil Du immer mit einem Lächeln erwachst – so wie ich, als ich in Deinem Alter war. Nicht weil Du angefangen hast zu laufen oder weil Du alles in Deiner Umgebung erkunden willst. Du bist so neugierig! So war ich auch, als ich so alt war wie Du jetzt … . Nein, ich denke, Du bist mein Teuerstes und Liebstes, weil Du ganz tief in meinem Herzen das Kind geweckt hast, das ich einmal war und immer bleiben werde, egal, wie alt ich bin. Du hast mich zurück zu meinen Wurzeln geführt, Daniel, zu dem fünfjährigen Jungen, der in seinem Heimatort immer hoch oben auf den Klippen saß und einfach nur das Meer, die Wellen, die Möwen und Delfine beobachtete und sich bei Sonnenuntergang an den Wolken erfreute, wenn sich der Himmel mit einer ganzen Palette wunderschöner Farben überzog. Damals kannte ich das Wort Angst noch nicht.
    Meine Briefe an Dich kommen von tiefstem Herzen, Daniel, Briefe eines erwachsenen Kindes an ein anderes Kind, das gerade angefangen hat, mit großen Augen in die Welt zu blicken. Sie sollen ein kleines Geschenk sein, geschrieben mit tiefer Liebe. Mit einer Liebe, wie ich sie nie zuvor gefühlt habe, so rein und einzigartig, dass es ein Sakrileg wäre, würde ich versuchen, sie in Worte zu fassen.
    Auf diesen Seiten möchte ich Dir Dinge sagen, die ich noch nie jemandem erzählt habe, denn ich weiß: Du wirst nicht über mich urteilen. Vielleicht wird Dich mein Leben, so wie ich es gelebt habe und noch immer lebe, irgendwie immer daran erinnern, woher Du kommst, und Dir eine Antwort darauf geben, warum Du nun auf dieser Welt bist. Früher oder später wird das Leben und die Gesellschaft, in der wir leben, alles komplizierter machen,
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