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Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
Autoren: Sergio Bambaren
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dazu beigetragen. Als sich die Lage so zugespitzt hatte, dass der Konflikt zwischen meinen Eltern unlösbar wurde, litt ich lieber eine Weile, bis der Sturm sich gelegt hatte, anstatt zusehen zu müssen, wie sich die beiden Menschen, die ich so sehr liebte, für den Rest ihres Lebens Tag für Tag miteinander herumquälten. Dennoch habe ich nie gehört, dass mein Vater schlecht über meine Mutter gesprochen hätte und umgekehrt. Meine Eltern waren einfach gute, anständige Menschen.
     
    Schon ein Jahr vor meinem Schulabschluss hatte ich im Geheimen geplant, was ich danach machen würde. Ich betrachtete meine »Traumwand« – all die Bilder von Wellenreitern, die sich an fernen, exotischen Orten tummelten. Ich wusste, dass ich zu diesen weit entfernten Wellen reisen musste. Aber wie? Selbstverständlich konnte ich darauf zählen, dass mein Vater mir eine weiterführende Schule im Ausland bezahlen würde. Das war nicht der Punkt – ich wollte es allein schaffen. Wollte hart arbeiten und Geld verdienen, um mich an einer Universität in den USA zu bewerben und in den Ferien nach Hawaii, Mexiko, Mittelamerika und Kalifornien zu reisen. Ich wollte die legendären Monsterwellen im Archipel von Hawaii reiten, wollte nach Mexiko fahren, wo man angeblich neue Surfplätze mitten im Regenwald entdeckt hatte, und wollte – warum nicht? – den Geist der kalifornischen »Soul Surfer« erleben.
    Doch wie sollte ich genügend Geld verdienen, um die Kosten für die Verwirklichung meines Lebenstraums zu decken? Ich war auf mich allein gestellt, meine Eltern hatten mir jedoch beigebracht, dass es nur einen Weg gibt, wenn man seine Ziele angemessen und auf anständige Weise erreichen will: ehrliche, harte Arbeit.
    Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Während ich als Einzelgänger ganz allein an stürmischen Winternachmittagen gegen den Strom geschwommen und auf den Wellen geritten war, hatte für mich etwas Neues begonnen, ohne dass ich es damals gemerkt hätte: Ich hatte angefangen, die sichere Zone zu verlassen und aus dem Kokon hinauszublicken, in dem die Gesellschaft uns gefangen hält.
    Erst nach vielen Jahren begriff ich, wie wichtig diese Erfahrungen waren, die ich durch das Brechen der Regeln gemacht hatte. Indem ich ohne Rücksicht darauf, was andere für mein Bestes hielten, meinem Gespür folgte, wurde ich zu dem Menschen, der sein eigenes Leben lebt – nämlich das Leben, für das er geboren worden ist.

irgendwann einmal macht jeder Mensch schwere Zeiten durch. Zeiten, in denen unsere Kraft und unser Glaube auf die Probe gestellt werden. Das erging auch mir nicht anders. Schmerz ist ein Teil des Lebens. Das lernte ich, als ich älter wurde und ein paar harte Schläge einstecken musste. Das Leben wird uns schließlich als Ganzes geschenkt, man kann sich nicht nur die schönen Dinge aussuchen. Selbst wenn wir alles tun, um glücklich zu sein, so müssen wir mitunter auch mit traurigen Augenblicken und Niederlagen fertig werden.
    Du bist noch zu jung, um zu verstehen, warum meine Liebesbeziehung mit Deborah, Deiner schönen Mutter, zu Ende ging. Wir erkannten, dass wir grundverschieden sind, Daniel. Wir erkannten, dass wir unterschiedliche Lebensziele haben. Dennoch bitte ich Dich um eins: Urteile nicht über uns. Wir sind nur zwei Menschen, die sich ineinander verliebt hatten, und dann hat uns das Leben das wunderbarste Geschenk gemacht: Dich. Du bist ein Kind reiner, kostbarer Liebe.
    Gestern verbrachten wir beide einen wunderschönen Tag in meiner Wohnung. Stundenlang spielten wir, dann schliefen wir nebeneinander, wir gingen mit Oskar in den Park und hatten eine Menge Spaß. Heute Abend brachte ich Dich wieder zu Deiner Mutter, und als Du sie erblickt hast, leuchteten Deine Augen wie Gold. Sie liebt Dich mehr als alles andere auf dieser Welt. Du bist der Sinn ihres Lebens.
    Nachdem Du dann erschöpft von einem weiteren zauberhaften Tag ins Bett gefallen bist, gingen Deine Mutter und ich in ein schönes Restaurant. Wir unterhielten uns über unseren Tag, sie erzählte von Problemen, die sie in der Arbeit und in ihrer Familie hat, und sie hörte mir zu, als ich von mir erzählte – wie gute Freunde.
    Deine Mutter und ich werden einander immer verbunden sein, Daniel, denn früher oder später vergessen wir die traurigen Momente – die schönen Erinnerungen aber bleiben uns ein Leben lang im Gedächtnis.
    Vor allem aber haben wir Dich: die Frucht unserer tiefen Liebe und der größte Schatz, den das Leben uns gegeben
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