Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
Autoren: Sergio Bambaren
Vom Netzwerk:
hat. Aber wenn etwas nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat, ist es besser, man stellt sich dem Problem, anstatt sich ein Leben lang zu quälen.

    Deine Mutter und ich sind keine Liebenden mehr, aber wir sind die besten Freunde. Wir streiten nicht mehr, und das hat uns eine wunderbare Freundschaft ermöglicht. Die Freundschaft zweier Menschen, die einander einmal bedingungslos geliebt haben. Sie kennt mich so gut und ich kenne sie so gut, dass sie wahrscheinlich immer meine beste Freundin sein wird. Bei uns gibt es die Worte Ressentiments, Hass oder Feindschaft nicht, sie sind nicht Teil unseres Vokabulars. Das waren sie nie und werden sie auch niemals sein.
    Also versuchen wir unser Menschenmögliches, um Dir klarzumachen, dass wir auf unsere ganz spezielle Weise eine »Familie« sind, die, unabhängig von dem, was die Zukunft bringen mag, bestehen bleibt, auch wenn wir nicht mehr zusammenleben. Wir drei.
    Ich werde Deine Mutter immer auf diese freundschaftliche Weise lieben, Daniel, und ich weiß, dass auch sie mich immer so lieben wird. Doch Du bist das Wichtigste für uns, und wir werden Dir immer alle Liebe schenken, die wir in unserem Herzen tragen. Immer.
    Kannst Du uns verzeihen, dass wir Dir kein »normales Zuhause« bieten konnten? Ich hoffe es so sehr.

VI
    Die Entscheidung fiel: Ich würde in den USA studieren.
    Wie? Keine Ahnung. Ich wusste nur, dass ich es tun würde.
     
    Unglaublich, wie sich die Teile eines Puzzles langsam zusammenfügen, wenn man den ersten Schritt in die richtige Richtung unternimmt. Nach der Schule gingen alle meine Freunde auf die Universität. Ich nicht. Ich machte Gelegenheitsjobs und lebte nach dem Grundsatz, den mir ein kluger Mensch einmal verraten hatte: »Wenn du hundert Dollar verdienst, dann lebe so, als hättest du nur achtzig, und verhalte dich den anderen gegenüber so, als hättest du nur fünfzig.« Eine einfache, schöne Regel, jedenfalls für mich. Wenn man nicht mehr auf schöne Kleider, schnelle Autos oder gar das allerbeste Surfbrett fixiert ist, wird das Leben sehr viel einfacher und leichter. Ich sage immer: Die meistgeschätzten materiellen Besitztümer sind für mich diejenigen, auf die ich verzichten kann. Wenn ich mich umsehe und feststelle, wie viele Leute darauf versessen sind, sich den tollsten iPod, den neusten Blackberry oder irgendeinen wahnsinnig modernen Flachbildschirm zuzulegen, ist mir natürlich bewusst, dass solche Dinge uns Freude machen können, gleichzeitig versklaven sie uns aber auch. Diese Leute haben mir zudem noch etwas anderes aufgezeigt, etwas sehr Wichtiges: Du selbst bist der einzige Mensch, mit dem du wetteifern solltest, mit niemandem sonst. Als ich aufhörte, mich für all diesen modischen Kram zu interessieren, und mich auf mein Ziel konzentrierte, auf meinen Traum, auf mein Leben überhaupt, wurde alles einfacher. Die Antwort auf so simple Fragen wie: »Soll ich diese Eiscreme jetzt kaufen oder das Geld in mein Sparschwein stecken?«, war fast immer dieselbe: »Vergiss nicht, was du dir vorgenommen hast.« Und so wurde mein Sparschwein langsam, aber sicher immer schwerer.
    Zu dieser Zeit informierte ich mich auch über Colleges, die bei guten Zensuren Stipendien vergaben. Am Ende waren auf meiner Liste nur noch die Texas A & M University und die Universität von San Diego in Kalifornien übrig. Mein Traum war natürlich Kalifornien, aber die Studiengebühren waren doppelt so hoch wie an der texanischen Universität. Ich musste meiner finanziellen Lage also ins Auge sehen. »Vergiss nicht, was du dir vorgenommen hast.« Und ich dachte: »Über ein Jahr lang hast du dich abgerackert, nun musst du eine Entscheidung treffen.« Ich entschied mich für die Universität in Texas, eine Stunde vom nächsten Strand entfernt. Damals begriff ich noch nicht, warum ich diese Wahl getroffen hatte, das verstand ich erst mit der Zeit.
    Während ich zum ersten Mal so weit entfernt von meinem geliebten Meer studierte und jeden einzelnen freien Tag in den Surfparadiesen verbrachte, von denen ich bisher nur gehört hatte, wurde mir bewusst, dass ich das Meer viel mehr liebte, als ich je gedacht hätte. Ich schwor mir, nie zu vergessen, was es mich gekostet hatte, von den beiden »Wesen« getrennt zu sein, die ich am meisten liebte: meiner Mutter und dem Meer; nur um zu begreifen, wie sehr ich sie doch liebe!
    Seit dieser Zeit kann ich jeden Atemzug des Lebens genießen. Ich habe begriffen, dass das Leben mir nichts schuldig ist. Wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher