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Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
Autoren: Sergio Bambaren
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Weihnachten nach Hause, in all den anderen Ferien ging ich surfen. Kalifornien stand ganz oben auf meiner Liste. Ich fuhr auf dem berühmten »Highway 1« die gesamte kalifornische Küste entlang. Wir surften überall: in San Diego bis hinauf nach Santa Cruz und noch weiter im Norden. Zweimal waren wir auf Hawaii, wo es die mächtigsten und auch die gefährlichsten Wellen gibt. Ich wäre mehr als einmal fast ertrunken, und oft kam ich völlig zerschunden von Korallen und anderen Riffbewohnern aus dem Wasser. Doch nichts konnte mich davon abhalten, immer neue exotische Wellen zu reiten; manchmal begleiteten mich Delfine, der eine oder andere Wal und sogar Haie.
     
    In meinen beiden letzten Studienjahren reisten wir nach Mexiko zu den Riesenwellen von Puerto Escondido und zu den weltweit längsten Wellen in San Blas. Wir fuhren mit dem Auto, mit dem Zug, reisten per Anhalter, schliefen bei Mädchen, die wir unterwegs trafen, und einmal zelteten wir sogar mitten im Regenwald in Gesellschaft der größten Leguane, die ich je gesehen habe. Wir vergewisserten uns, dass das Zelt auch fest geschlossen war und uns keine Giftschlange oder -spinne angreifen konnte. Das Leben war ein Abenteuer, voller Gefahren, und wir wussten nie, was der nächste Tag für uns bereithalten würde. Egal – wir waren quicklebendig!
     
    Nach vierjährigem Studium, harter Arbeit und der Bekanntschaft mit einigen der gefürchtetsten Wellen der Welt hatte ich mein Diplom als Chemotechniker bestanden. Damals war ich in ein Mädchen aus Kolumbien verliebt, aber nachdem ich nun mein Studium abgeschlossen hatte, mussten wir uns trennen. Als ich mich von ihr, von all den wundervollen Freunden und dem Ort verabschieden musste, der mich vier Jahre lang so gastlich aufgenommen hatte, überkamen mich all die Erinnerungen an die vergangene Zeit. Zum zweiten Mal hieß es für mich Abschied nehmen, weitergehen und ein bisschen sterben … Denn etwas von dir bleibt immer an diesem Ort zurück. Mit dem gleichen Kloß im Hals wie damals bei meinem Aufbruch in Lima kehrte ich nun in mein Heimatland und zu meiner Familie zurück.
    Wenn ich auf meine Weise leben wollte, musste ich mich damit abfinden, dass es in meinem Leben immer wieder Momente geben würde, in denen ein kleiner Teil von mir stirbt. In allen Himmelsrichtungen Spuren zu hinterlassen und kostbare Erinnerungen zu sammeln würde mir dabei helfen, meine persönliche Reise angenehmer zu machen.

der Friede, den ich heute in meinem Herzen trage, ist vollkommen anders, als ich ihn mir in meiner Jugend vorgestellt habe.
    Damals dachte ich, ich fände meinen Frieden, wenn ich tun und lassen kann, was ich will, wenn ich nicht aufbegehre und wenn ich traurigen Situationen oder meinen eigenen Widersprüchen aus dem Weg gehe.
    Wenn ich nun zurückblicke, kann ich für mich behaupten, dass mein Seelenfrieden schließlich das Ergebnis wichtiger Lektionen ist, die mir das Leben erteilt hat. Friede bedeutet für mich heute, im Einklang mit meiner Umwelt und dem Universum zu sein, indem ich alles Angenehme und auch alles Unangenehme akzeptiere, das mir das Leben beschert. Indem ich Herausforderungen annehme, gute Zeiten wie auch schlechte Zeiten habe und indem ich nie das Vertrauen darauf verliere, dass der Sturm vorüberziehen und die Sonne wieder scheinen wird. Seelenfrieden heißt: in Harmonie mit seinem Selbst sein, die Person annehmen, die man ist, und wissen, dass man als Mensch immer Fehler machen wird. Friede ist ein Synonym für Bescheidenheit. Man muss Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, und man sollte nie an Widrigkeiten verzagen.
    Wenn man in Frieden mit sich lebt, kann man auch andere Auffassungen respektieren und viel, viel mehr geben, als man bekommt. Ich will teilen, was ich besitze, will die Dinge annehmen, die ich nicht ändern kann, und zugeben, dass ich mich manchmal irre. Und ich weiß, dass ich eines Tages ernten werde, was ich mein Leben lang gesät habe.
    Mach Dein Herz frei von Hass und Missgunst, Daniel. Mach Dir nie Sorgen über die Zukunft. Lebe bescheiden und erfreue Dich an den Zufällen des Lebens, gib viel und erwarte wenig. Unternimm viele Reisen, betrachte die Welt mit Deinen eigenen Augen und staune über das, was Du siehst. Lass niemals Routine einkehren und verliere nie den Glauben und die Kraft, Deinem Leben einen höheren Sinn zu verleihen, Daniel.

IX
    Was kam dann?
    Ich kehrte in meine Heimatstadt und zu den prächtigen Klippen zurück, die meine ersten
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