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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung
Autoren: Mary Jo Putney
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Peschawar hatte ich erstaunt festgestellt, daß er unsere Sprache recht gut beherrschte. In den Monaten, die ich in Kafiristan verbrachte, wurden wir dann gute Freunde. Er hat eine bemerkenswert rasche Auffassungsgabe und ein ausgezeichnetes Gedächtnis, ist scharfsinnig und sehr aufgeschlossen. Europa faszinierte ihn, und er bestürmte mich ständig mit Fragen. Er muß großen Nutzen aus dem gezogen haben, was ich ihm über uns erzählte.“
    „In welcher Hinsicht?“
    „Vor zwei Jahren habe ich ihn in Kairo getroffen. Er hatte Kafiristan den Rücken gekehrt und war inzwischen ein sehr wohlhabender Kaufmann mit glänzenden Verbindungen im ganzen Orient. Damals erwähnte er auch, daß er eines Tages gern nach England kommen würde, und nun hat er den Vorsatz wahrgemacht. Mehr kann ich dir über ihn nicht berichten.“
    „Deine Geschichten lassen stets tausend Fragen offen“, erwiderte Sara und schüttelte leicht den Kopf. „Für den Augenblick will ich mich jedoch begnügen. Da dein Freund so viel für dich getan hat, werde ich ihn selbstverständlich willkommen heißen, selbst wenn er ein bärtiger Wilder mit goldenen Ohrringen und Krummsäbel sein sollte!“
    „Das freut mich zu hören. Wenn er dir die Aufwartung machen darf, wird er auch von jedem anderen empfangen. Du hast von ihm jedoch ein falsches Bild. Er ist kein kriegerisch aussehender Orientale. Wieweit er unsere Gepflogenheiten beherrscht, kann ich dir zwar nicht sagen, du wirst aber feststellen, daß du jemanden wie ihn noch nie kennengelernt hast. Ich will dich indes nicht beeinflussen. Bilde dir eine eigene Meinung über ihn. Erlaubst du, daß ich ihn in der nächsten Woche zu deiner Gartenparty mitbringe? Ich finde es besser, ihn in kleinerem und zwangloserem Rahmen in die Gesellschaft einzuführen, statt bei einem großen Ball.“ „Natürlich erlaube ich es dir.“
    Im gleichen Moment sah Alastair den Baronet kommen. Sir Charles Weldon war Ende Vierzig, und die ersten grauen Strähnen durchzogen das hellbraune Haar. Er war hochge-wachsen und von kräftiger Statur, hatte ein gutgeschnittenes Gesicht und strahlte das gelassene Selbstvertrauen des erfolgreichen Geschäftsmannes aus.
    Auch Sara hatte ihn bemerkt und empfand ein leichtes Schuldgefühl, weil sie ihn durch das angeregte Gespräch mit Alastair ganz vergessen hatte.
    „Guten Morgen, Sir Charles.“ Lord Alastair Carlisle erhob sich und schüttelte dem Baronet die Hand. „Ich werde mich zurückziehen, da Sie mit meiner Cousine gewiß allein sein wollen.“
    „Das ist sehr taktvoll“, erwiderte Sir Charles Weldon. „Ja, es stimmt, ich habe ein dringendes Anliegen mit Lady Sara zu besprechen.“
    Alastair küßte ihr die Hand, verneigte sich leicht vor dem Baronet und ging.
    Sir Charles gab seiner Verlobten einen galanten Handkuß und sagte einschmeichelnd: „Sie wissen, warum ich hier bin, Lady Sara. Darf ich hoffen, daß Sie mir heute die ersehnte Antwort geben?“
    Es irritierte Sara, daß Sir Charles nicht darauf verzichtete, den Verliebten zu spielen, obgleich die beabsichtigte Ehe eine reine Vernunftsache war. Bestimmt glaubte er, zu dieser Komödie verpflichtet zu sein, da in solchen Situationen wohl die meisten Frauen schöne Worte hören wollten. „Falls Sie sich ein Ja erhofft haben“, erwiderte Sara ruhig, „können Sie beruhigt sein.“
    Ein triumphierender Glanz erschien in Sir Charles’ blauen Augen.
    Zum ersten Male fragte sich Sara, ob der Baronet doch in sie verliebt sei. Der Gedanke verursachte ihr Unbehagen. Gewiß, sie war bereit, Sir Charles eine gehorsame Gattin zu sein. Falls er jedoch leidenschaftliche Hingabe von ihr erwartete, würde er sich sehr enttäuscht sehen. So jäh, wie das Leuchten in seinen Augen aufgeflackert war, so schnell erlosch es, und Sara meinte, es sich nur eingebildet zu haben.
    Sir Charles zog eine kleine Schatulle aus dem dunkelblauen Gehrock, öffnete sie und entnahm ihr einen Ring. Lächelnd schob er ihn auf Lady Saras linken Ringfinger und verneigte sich.
    Der Anblick verschlug ihr den Atem. Umgeben von einer kostbaren Platinfassung, erstrahlte ein sterngeschliffener Solitär. Es war ein Geschenk, wert einer Prinzessin oder einer Luxuskokotte, viel zu auffallend, ganz und gar nicht Saras Geschmack, aber prächtig anzuschauen. „Er ist hinreißend“, sagte sie und drehte die Hand im Licht, um das rosafarbene Feuer des Diamanten bewundern zu können. „Aber ein kleinerer Stein hätte auch genügt.“
    „Gefällt er dir
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