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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung
Autoren: Mary Jo Putney
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war unübersehbar ein Mitglied jener herrschenden Kaste, die in dem größten Reich, das die Welt je gesehen hatte, den Ton angab.
    Abgesehen von der Sympathie, die beide Männer verband, hatte es stets auch eine gewisse Rivalität zwischen ihnen gegeben, und Mikahl wußte, daß er in dem bevorstehenden Gespräch sehr behutsam vorgehen mußte. Er löste sich aus den Schatten der Aufbauten, ging Alastair entgegen und sagte herzlich: „Ich bin froh, daß mein Bote dich daheim angetroffen hat, und danke dir, daß du umgehend gekommen bist.“ Sekundenlang schauten die Freunde sich ernst an, ehe Alastair die Hand ausstreckte und ruhig erwiderte: „Ich mußte mich davon überzeugen, daß du tatsächlich in London bist. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du herkommst.“
    „Das war immer meine Absicht“, entgegnete Mikahl, schüttelte Alastair die Hand und war überrascht, wie sehr er sich über das Wiedersehen freute. „Du hättest nicht an meinen Worten zweifeln sollen. Hast du schon diniert?“
    „Ja, aber ein Glas deines vorzüglichen Cognacs lasse ich mir gern kredenzen.“
    „Wir sind in Frankreich vor Anker gegangen, nur um den Vorrat aufzufüllen“, sagte Mikahl auf dem Weg zum Niedergang lächelnd und überlegte gleichzeitig, ob Alastair in der Zwischenzeit so behäbig geworden war, wie es den Anschein hatte. Einem boshaften Impuls folgend, beschloß er, der Sache sofort auf den Grund zu gehen.
    Kaum hatte er den Freund in die elegant eingerichtete Kajüte gebeten, drehte er sich jäh um und stieß, auf Alastairs Brust zielend, mit dem rechten Ellbogen zu.
    Geistesgegenwärtig hielt Alastair ihn am Unterarm fest, fing den Schwung ab und schleuderte Mikahl mit großer Wucht zur Mitte des Raumes.
    Mikahl taumelte, krümmte sich behend zusammen und schlug knapp vor dem mahagonigetäfelten Schott rücklings zu Boden. Hätte es sich um einen ernstzunehmenden Kampf gehandelt, wäre er jetzt geschmeidig hochgeschnellt, doch nun blieb er auf dem persischen Teppich liegen und hatte das erhebende Gefühl, daß die zwei Jahre der Trennung im Nu verflogen waren. Er atmete tief durch und sagte anerkennend: „Wie gut, daß du in der Zivilisation nicht verweichlicht bist! Diesen Schlenker hast du aber nicht von mir gelernt!“ Alastair strich sich eine blonde Locke aus der Stirn, grinste und erwiderte lachend, während er zu Mikahl ging: „Ich dachte mir, wenn du tatsächlich nach England kommen solltest, sei es besser, dich listigen Teufel nicht unvorbereitet zu empfangen.“ Die Hand ausstreckend, fügte er schmunzelnd hinzu: „Friede?“
    „Einverstanden“, willigte Mikahl ein, ergriff Alastairs Hand und sprang auf die Füße. Es freute ihn, daß die Bande der Freundschaft nicht gerissen waren und er in Alastair nicht nur einen ihm nützlichen Helfer sehen mußte. „Als du an Bord kamst, warst du der typisch englische Gentleman“, sagte er zur Erklärung seines Verhaltens. „Ich fürchtete, du könntest unsere Zeit im Hindukusch vergessen haben.“
    „Und ich glaubte, einen Pascha vor mir zu haben, der sich nicht entscheiden konnte, ob er mich willkommen heißen oder in die Sentine sperren lassen sollte“, erwiderte Alastair lachend und schaute sich in der nach fernöstlichem und europäischem Geschmack eingerichteten Kajüte um.
    An einer Seite war ein messingbeschlagener Tisch verankert, um den sich eine geschnitzte Polsterbank mit grünem Samtbezug und bunt bestickten Kissen sowie zwei armlose Sessel aus poliertem Kirschholz und halbhohen geschwungenen Rückenlehnen gruppierten. Auf einem schwarzlackierten Kabinett mit grünen, silbrigen und rötlichen Chinoiserien stand zwischen nautischen Instrumenten ein Windlicht in kunstvoll durchbrochenem Gehäuse, und darüber hing eine emaillierte Uhr, die von einem die Schwingen ausbreitenden Adler gehalten wurde. Das Blumenmuster des Teppichs wie-
    derholte sich in den beiden in braunen, beigen und roten Tönen gewirkten Wandteppichen, und der Vorhang der mit Perlmuttintarsien verzierten Koje war aus schimmerndem türkisfarbenen Damast. Es war eine stilvolle Umgebung für jemanden, der sich entschlossen hatte, den Luxus des Fernen Ostens aufzugeben und sich mit den Bequemlichkeiten Europas zu begnügen.
    Alastair setzte sich in einen der Sessel, schlug ein Bein über das andere und betrachtete den Freund. Mikahl hatte sich in einen schwarzen, erlesen bestickten Kaftan mit juwelenbesetztem Gürtel gekleidet, dazu eine kostbar verbrämte Gibbeh angelegt und
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