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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung
Autoren: Mary Jo Putney
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trug das gewellte schwarze Haar länger, als es in England Mode war. Dennoch wirkte er nicht fehl am Platz. Im Gegenteil, er bewegte sich mit der ruhigen Selbstverständlichkeit eines Menschen, der sich überall zu Hause weiß.
    Mikahl ging zum Kabinett, öffnete es und entnahm ihm eine geschliffene Karaffe. Er schenkte Cognac in zwei goldgelb lasierte Gläser, reichte Alastair eines und meinte lächelnd: „Seit wir Brot und Salz miteinander geteilt haben, ist mir die Gastfreundschaft heilig. Ich würde dich nie in die Sentine werfen lassen.“
    „Danke“, erwiderte Alastair, nahm das Glas entgegen und sagte erstaunt: „Dein Englisch hat sich sehr verbessert. Gewiß, man hört noch einen leichten Akzent, aber man würde dich nicht für einen Ausländer halten.“
    „Das war ein schönes Kompliment“, erwiderte Mikahl und nahm auf dem Sofa Platz. Flüchtig umspielte ein spöttisches Lächeln seine Lippen, ehe er trocken bemerkte: „Ich habe mir vorgenommen, als Gesellschaftslöwe in deine Kreise einzubrechen. Glaubst du, daß ich Erfolg haben werde?“
    Alastair verschluckte sich fast und hustete. „Um Himmels willen, warum willst ausgerechnet du dich auf das gesellschaftliche Parkett begeben? Das sieht dir doch gar nicht ähnlich! Alle Welt weiß, wie langweilig die meisten englischen Adligen sind.“
    „Willst du damit andeuten, daß du mich deiner Familie und deinen Bekannten nicht vorstellen möchtest?“
    Verwundert über die Skepsis, die aus Mikahls Stimme geklungen hatte, widersprach Alastair kopfschüttelnd: „Wie kommst du auf den Gedanken? Du weißt, daß ich nichts der-gleichen im Sinne habe. Ich bin dir sehr verpflichtet. Wenn du so dumm sein willst, dich unter die Noblesse zu mischen oder das, was sich dafür hält, werde ich alles tun, dir dabei behilflich zu sein. Um Zutritt zur Oberschicht zu bekommen, braucht man nur genügend Geld und die richtigen Beziehungen. Über beides verfügst du. Aber vergiß nicht, daß du stets ein Außenseiter sein wirst, ganz gleich, wie sehr du dich um Anerkennung bemühst.“
    „Das trifft nicht nur auf die britische Aristokratie zu“, entgegnete Mikahl. „So ist es überall, wenn man kein Einheimischer ist. Aber das will ich gar nicht sein. Ich bin mit der Rolle des amüsanten, schillernden Exoten zufrieden.“
    „Gnade Gott demjenigen, der in dir seinesgleichen sähe!“ erwiderte Alastair auflachend. „Aber ich begreife wirklich nicht, warum du deine Zeit mit Leuten verschwenden willst, die Paris für das Ende der Welt halten!“
    „Vielleicht möchte ich mir nur beweisen, daß ich gute Nerven habe. Ehrlich gesagt, Alastair, am gesellschaftlichen Leben als solchem bin ich nicht interessiert.“ Mikahl hielt inne, leerte sein Glas und überlegte, wie er den nächsten Satz formulieren sollte. „Ich bin hergekommen“, sagte er langsam, „um mit jemandem eine alte Rechnung zu begleichen.“
    „Ich möchte nicht in seiner Lage sein, wer immer er ist“, murmelte Alastair. „Ist es jemand, den ich kenne?“
    „Das mag sein“, antwortete Mikahl ausweichend.
    Er wollte sich offensichtlich nicht näher erklären. In seinen grünen Augen stand ein seltsamer Glanz, und seine Miene war unergründlich. Wieder einmal merkte Alastair, daß Mikahl unberechenbar war. Doch gerade das machte ihn so faszinierend.
    „In Anbetracht der Tatsache, daß die meisten Familien des englischen Adels irgendwie miteinander verwandt sind“, äußerte Mikahl schließlich, „könnte es gut sein, daß der Mann, den ich meine, zum Beispiel dein Cousin dritten Grades oder der Sohn deiner Patentante ist. Sollte das zutreffen, werde ich dich nicht in die Einzelheiten meines Planes einweihen, bitte dich jedoch, mich dann bei der Durchführung nicht zu behindern.“
    „Wie heißt der Mann?“ fragte Alastair unumwunden, da er nicht bereit war, in Unkenntnis der genauen Umstände Mi-kahls Bitte zu entsprechen.
    „Charles Weldon“, antwortete der Freund und fügte ironisch betonend hinzu: „Der Ehrenwerte Charles Weldon. Ich könnte mir denken, daß du von ihm gehört hast, auch wenn du ihn nicht persönlich kennst. Er zählt zu Londons angesehensten Geschäftsleuten.“
    „Ja, ich kenne ihn“, erwiderte Alastair stirnrunzelnd. „Er ist kürzlich zum Baronet ernannt worden und jetzt Sir. Eigenartig, daß du eben erwähntest, er könne mein Cousin sein. Das ist er zwar nicht, denn wir sind nicht verwandt. Vor einigen Tagen hat er jedoch meiner Cousine Sara, zufälligerweise
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