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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so
Autoren: Holger Montag
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Sehnsucht nach alter Zeit, nach Frisch-Verliebtsein, nach der Sonja, auf die ich vor Jahren neugierig gewesen war. Aber die gab es schon lange nicht mehr.

 
    4
     
    Nach drei Wochen trafen wir uns zum ersten Mal wieder. Sonja sah gut aus, aber nicht gut genug, um mich wieder schwach werden zu lassen. Ich versuchte, in ihrem Gesicht irgendwelche Spuren von Niedergeschlagenheit oder Reue über ihre Entscheidung zu entdecken. Aber Fehlanzeige, es schien ihr blendend zu gehen.
    Ihre Sachen hatte sie nach und nach abgeholt, während ich zur Arbeit war. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, U rlaub zu nehmen oder sie in meiner Pause abzupassen, aber irgendwas hatte mich zurückgehalten. Nun, da wir uns gegenübersaßen, war ich ein bisschen stolz darauf, der Versuchung widerstanden zu haben. Vielleicht fiel mir das alles ja mit etwas Coolness leichter.
    „Wie geht’s dir?“
    Keine meisterliche Eröffnung, ich weiß, aber besser als nichts, zumal sie keinerlei Anstalten machte, das Gespräch von sich aus in Gang zu bringen. Albernheiten schossen mir durch den Kopf, Blödsinn wie bei einem ersten Treffen, aber ich verzichtete darauf, ihn auszusprechen. Eine innere Stimme sagte mir, dass sie es kaum als Kompliment auffassen würde, wenn ich ihr erzählte, dass ich beim Sex mit mir selbst immer noch an sie dachte, Frauen schienen ohnehin von derartigen gedanklichen Rückfällen verschont zu bleiben.
    „Gut“, meinte sie . Pause. Dann: „Bevor ich’s vergesse, ich soll dich von meinen Eltern grüßen.“ Sie versuchte ein unverkrampftes Lächeln, das ihr ziemlich misslang, und ich fragte mich, was dies bedeuten sollte: „Bevor ich’s vergesse.“ Vor was? Bevor wir uns totschwiegen? Und überhaupt, was dachten ihre Eltern sich dabei, mir Grüße ausrichten zu lassen - ausgerechnet über die Frau, die mich gerade hatte sitzen lassen?
    Ich mochte ihre Familie . Sie behandelten mich wie einen Sohn, da konnte man nicht meckern, und selbst als wir uns unsere Auszeiten voneinander gegönnt hatten, war ich im Hause ihrer Eltern stets ein willkommener Gast gewesen. Aber manchmal fragte ich mich schon, von welchem Planeten die drei eigentlich stammten.
    „Danke schön“, sagte ich. „Kommst du grad von dort?“
    „Ich wohne seit vorgestern wieder daheim.“
    „Und Doris?“
    „Baut gerade ihr Gästezimmer zum Kinderzimmer um.“
    „Verstehe .“
    „Ich such mir jetzt ne eigene Wohnung.“
    Ich hielt innerlich die Luft an. Eigentlich war ich der Meinung gewesen, dieses Treffen diene dem Ausha ndeln der Bedingungen für einen Waffenstillstand und Sonjas Rückkehr. An die Sache musste ich mich wohl etwas langsamer herantasten.
    „Hast du schon was in Aussicht?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich kann die Möbel schon mal bei meinen Eltern im Keller unterstellen, wenn sie dir im Weg sind.“
    „Nicht nötig. Deshalb hab ich nicht gefragt.“
    „Sie sähen es gerne, wenn ich noch eine Weile bei ihnen bliebe“, sagte sie.
    „Billiger kann man ja auch kaum wohnen.“
    „Das schon. Nur ist es ein Unterschied, ob du sechzehn oder dreißig bist.“
    „Mag sein“, gab ich zu.
    „Gabriele wollte sich mal umhören, aber ich hab seit letzter Woche nicht mehr mit ihr gesprochen. Und eine Freundin von Doris hat vielleicht was in ihrer WG frei, aber ich weiß nicht, ob ich mir so was nochmal antun möchte.“
    Ich musste lachen. „Back to the roots, wie?“
    „Ist halt schon ein Weilchen her“, meinte sie, „ich bin mir nicht sicher, ob ich da noch reinpasse. Wahrscheinlich such ich lieber noch ein bisschen länger nach was Eigenem.“
    Sie entspannte sich etwas, um ein Haar hätten wir uns a ngelächelt. Als ich unauffällig auf meine Hand guckte, zitterte sie.
    „Ich seh mal nach dem Kaffee“, sagte ich und riss me inen Blick mit Gewalt von ihr los.
    In der Küche holte ich erstmal tief Luft. Sie meinte es ernst, so viel stand schon mal fest. Da hatte ich ja ganz schön daneben gelegen. Von wegen Verhandlungen! Für sie war ich schon Geschichte, ihre ganz persönliche, weggebröckelte Berliner Mauer. Endlich war der Weg frei.
    Diese Einsicht kränkte mich, aber in diesen drei W ochen hatte ich mir durchaus Gedanken darüber gemacht, mich endgültig von ihr zu trennen, wenn ihre Bedingungen für mich nicht akzeptabel sein würden. Genau an diesem Punkt befanden wir uns nun, doch auf einmal war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich die Trennung noch wollte.
    Wieso konnte nicht einfach Schluss sein, wenn man sich
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