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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so
Autoren: Holger Montag
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habe den Auftrag für Sie fertig gemacht. Er kommt morgen früh vorbei, um das Bild abzuholen.“
    „Morgen? Was ist mit dem Auftrag für die Staatskanzlei? Und mit dem Zeug hier?“
    Ich zeigte auf die im Regal stehenden Bilder, die auf ihre Einrahmung warteten. Mein Chef verzog keine Miene.
    „Müssen Sie halt ein bisschen schneller arbeiten, nicht? - Jedenfalls habe ich zugesagt, dass das Bild morgen Mittag fertig ist, und ich bin hier der Entscheidungsträger. Notfalls müssen Sie halt einen von denen hier anrufen und sagen, dass es länger dauert. Lassen Sie sich einfach mal was einfallen.“
    Und weg war er . Ich verfluchte seine letzten Knochen. Aber so war das eben, wenn man auf der Seite mit dem kürzeren Hebel saß. Ich arbeitete erst seit ein paar Wochen dort, doch ich wusste meine schwache Position durchaus einzuschätzen.
    Während ich die Musterecken wieder an ihren Platz hän gte, las ich mir den Auftrag durch. Das Rähmchen, das mein Chef diesem Arschloch verkauft hatte, war genauso instabil wie das ursprüngliche. Zudem hatte er einen fetten Rabatt gewährt, schließlich war bei uns der Kunde noch König.
    Fein , sagte ich mir, er will es nicht anders . Wobei abzusehen war, an wem der Ärger hängen bleiben würde, wenn das Teil irgendwann von der Wand fiel. Ich wischte den Sahm ab und wickelte ihn in Packpapier ein, ehe ich ihn zu den anderen erledigten Arbeiten stellte.
    Die Sachen für die Sta atskanzlei waren beinahe fertig und ich hatte mich diesmal selbst übertroffen. Obwohl die Aquarell-Vorlagen grauenhaft waren und der geschniegelte Bursche, der sie gebracht hatte, mich aufs Blut gereizt hatte, war es ein Genuss, endlich einmal frei arbeiten zu können, ohne vom Geiz der Kunden eingegrenzt zu werden.
    Der Baumarkt schloss um halb neun, aber da der Haup tkassierer mich nicht leiden konnte, kam ich wieder mal als letzter dran. Wir prüften die Kasse geschlagene vier Mal, jedes Mal mit einem anderen Ergebnis. Der Typ war jung und bleich, schon jetzt ein Schatten seiner selbst. Wenn ich ihn so ansah, hätte ich ihm nicht mehr als zwei oder drei Jahre gegeben, seine Angelegenheiten zu regeln. Aber ich hätte wetten können, dass er sich ebendiesem Job voll und ganz verschreiben würde, es war ein Jammer mit meiner Generation.
    Gegen zehn kam ich endlich zu Hause an. Sonja war nicht da, aber das hatte ich auch nicht anders erwartet nach dem gestrigen Abend. Es war mal wieder hoch hergegangen, manchmal fragte ich mich, warum wir uns das eigentlich antaten, schließlich mochten wir uns doch ganz gerne.
    Die Stille in der Wohnung tickte nervtötender als ein Metronom. Ich rückte an allem, was mir in die Finger kam, um nicht in trübsinnige Gedanken zu verfallen. Trotzdem kam mir mein Chef in den Sinn und dieses Monstrum von einem Bild, für das man eigentlich einen Rahmen aus Hefeteig hätte backen müssen. Und ich bin hier der Entscheidungsträger.
    Warum musste ich mir eigentlich die Zeit mit solchem Unsinn um die Ohren schlagen? Dieses Bild, mein Chef, der Baumarkt, das alles war doch total unwichtig. And ere Menschen hatten den Tag genutzt, um sich zu verlieben, den Krebs zu besiegen oder kilometerhohe Gebäude zu entwerfen. Und ich?
    Während ich noch darüber nachdachte, meldete sich mein Magen zu Wort. Ich nahm mir ein Bier aus dem Kühlschrank und durchsuchte ihn bei der Gelegenheit nach einem Eckchen Käse oder einer vergessenen Scheibe Wurst. Vergebens, da stand bloß eine Unmenge von Laktatjoghurt, ich würde morgen einkaufen müssen.
    I ch machte mir ein paar Ravioli warm und setzte mich vor die Glotze. Die Spätfilme liefen gerade an, nichts Besonderes darunter, aber immer noch besser als die Serien zur Hauptsendezeit. Beim Essen zappte ich ein wenig hin und her und tauschte in der Werbepause den Topf gegen den letzten dieser sagenhaften Blaubeer-Muffins von Sonjas Mutter.
    Helene war schon eine tolle Frau, nicht nur wegen ihrer Torten und dem ganzen Kram. Sie war einer der nettesten Menschen, die ich kannte, und die umwerfende Aura hatte Sonja eindeutig von ihr. Leider hatte sie andererseits auch die Kompliziertheit ihres Vaters geerbt, und obwohl wir nun bereits seit fast vier Jahren zusammen waren, wollte es mir einfach nicht gelingen, sie in irgendeiner Weise zu verstehen.
    Ehe ich mich für ein Programm entsche iden konnte, endeten die Spätfilme. Ich hatte große Lust auf eine Zigarette, aber da ich in unserer Wohnung nicht rauchte und mir nicht nach Bewegung war, lutschte ich
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