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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so
Autoren: Holger Montag
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ich noch zu niemandem über die Verlagsarbeit hinaus irgendeinen Kontakt.
    Die alten Verbindungen hielt ich per e-Mail aufrecht, aber ich hatte den Eindruck, den Leuten nicht beso nders zu fehlen. Carolin rief des Öfteren an, ansonsten beschränkten sich meine Verbindungen zur Außenwelt auf Brötchenkaufen und das Internet.
    Ich hatte mächtig was an Essen und Getränken aufgefahren und mir sogar neue Musik besorgt, schließlich sollte nicht jeder gleich merken, dass ich von gestern war. Ehe mir dämmerte, dass meine Party die von Helge und seinen Marketingleuten exakt kopierte, war sie auch schon in vollem Gange.
    Wenigstens schienen sich meine neuen Kollegen bei mir wohl zu fühlen. Nicht, dass ich viele davon an diesem Abend kennen gelernt hätte, aber alle klopften mir kameradschaftlich auf die Schulter und versicherten mir, wie toll es ihnen bei mir gefalle, sogar Daumenhauer, der sich in diesen beiden Monaten als wandelnde Arschgeige herausgestellt hatte.
    Hanna war dagegen ein echter Lichtblick. Sie arbeitete in Carlos’ Abteilung und war mit ihm befreundet, wir sahen uns häufig auf der Arbeit und zwei, drei Mal auch bei Carlos zu Hause. Es lag etwas Mitreißendes in ihrer Art, sie lachte gerne und redete in ihrer Freizeit niemals über die Arbeit. Obwohl sie im Verlag recht beliebt war, entging mir nicht, dass einige Kolleginnen über sie tuschelten und Gerüchte über sie in die Welt setzten. Das machte sie zu einer Außenseiterin und damit in meinen Augen nur noch sympathischer.
    „Ich nehm die Flasche gleich mit“, sagte sie, als ich ihr ein Glas Wein einschenken wollte.
    Hanna setzte sich mitten ins Geschehen und unterhielt sich mit einer Vielzahl von Leuten, die beständig in meine Wohnung strömten. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich so viele eingeladen hatte. Wahrscheinlich war es in Dortmund üblich, sämtlichen Bekannten Bescheid zu sagen, wenn es irgendwo was zu feiern gab.
    Als die Party ihr Ende fand und allmählich in der Nacht versickerte, blieb Hanna bei mir hängen. Wir saßen auf dem Fußboden und tranken die letzten Reste, - bestimmte Dinge erlebt man eben immer ein zweites Mal -, und jetzt, wo die Gäste weg und wir angetrunken waren, gefiel auch mir meine kleine Feier endlich. Wir unterhielten uns über Literatur und ihren kleinen Sohn, landeten bei Irving und irgendwann auch miteinander im Bett.
    Dem Morgen nahm sie jede Peinlichkeit und verlangte lediglich ein ordentliches Frühstück statt vieler Worte. Ich fühlte mich so gut wie lange nicht mehr und lachte mich auf dem Weg durch den strömenden Regen halb tot, der Bäcker musste glauben, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    Sie hatte meinen Bademantel übergeworfen und saß mit gezücktem Besteck hinter dem gedec kten Tisch, als ich zurückkehrte. Die Wohnung hatte sie nicht aufgeräumt, Gott sei Dank. Nur die  Kaffeemaschine lief in der Küche, das war okay.
    „Hoffentlich hast du genug eingekauft“, sagte sie mit e inem Blick auf die Papiertüte in meiner Hand, „ich hab einen Bärenhunger.“
    „ Vier Croissants. Acht Brötchen. Ein halber Streuselkuchen. Blaubeer-Muffin.“ Ich stapelte die Sachen übereinander auf ihrem Teller. „Reicht das?“
    „Mal sehen, das wird knapp.“
    Ihre Unkompliziertheit überdauerte das Frühstück, es lagen weder Versprechungen noch Druck in der Luft. So sollte es immer sein, dachte ich bei mir. Ich ließ mir kein Detail entgehen, weder ihre schmalen Hände noch ihren Augenaufschlag oder ihre Zehen, die unter dem Bademantel heraus schauten, ich versuchte mich zu erinnern, wie sie darunter aussah, und stellte fest, dass ich immer noch Lust auf sie hatte. Es war, als sei sie der erste Mensch, den ich zu Gesicht bekam.
    Leider neige ich dazu, mein Blatt zu überreizen . Man sollte eben immer wissen, wann es am schönsten ist und man aufhören sollte, ich war in der Hinsicht nie über die Theorie hinaus gekommen.
    „Ich muss los“, sagte sie und entwand sich sanft me inem Griff.
    „Wieso? Heute ist Sonntag.“
    „Ich muss meinen Sohn bei meinen Eltern abholen.“
    Platsch. Die kalte Dusche hatte ich mir verdient. Ihr Kind hatte ich glatt schon wieder vergessen.
    Sie ließ sich nichts anmerken, aber als ich wieder zu ihr rüber sah, war sie bereits angezogen und suchte nach ihren Schuhen.
    „Schade.“ Es war nicht gelogen, kam aber einen Tick zu spät.
    „ Komm uns doch mal besuchen“, sagte sie, „dann koche ich für uns.“
    „Sicher, mach ich.“
    Das wiederum
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