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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so
Autoren: Holger Montag
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Impfpass unter Tetanus nachschlagen müssen. Ich wickelte mir provisorisch ein Papiertaschentuch um die Wunde und versuchte, möglichst wenig im Auto anzurühren, mit spitzen Fingern bediente ich den Schalthebel. Ich musste an jenen Abend im Januar zurückdenken, als ich den kleinen Jungen am Kühlschrank erschreckt und  bei meiner Flucht die Einrichtung seiner Eltern zerlegt hatte. Ludwigs Mercedes hatte furchtbar ausgesehen, überall auf der edlen Ausstattung hatte ich meine Blutspuren hinterlassen, wir hatten einen ganzen Nachmittag lang gebraucht, um die Karre wieder sauber zu kriegen.
    Ludwig. Mir fiel ein, dass ich Helene längst hatte anrufen wollen, vorletzte Woche hatte ich die Danksagung in meinem Briefkasten gefunden. Im Verlag war viel zu tun, und ich war an den Wochenenden meist unterwegs, aber im Grunde waren das alles nur Ausreden. Ich war einfach nicht in der Stimmung gewesen, mit Helene zu reden.
    Außerdem hatte ich mir vorgenommen, mein Leben nach Marie wieder neu zu ordnen, das war gar nicht so einfach, denn alles, was mich an früher und an sie erinnerte, warf mich wieder ein Stück zurück, Freunde, Bekannte – und eben auch Helene. Vor ein paar Tagen hatte ich den Moralischen gekriegt und die Fotos hervorgekramt, Scheiße, warum ging mir die Sache mit Marie immer noch derart an die Nieren?
    Irgendwann muss es ja sein, dachte ich bei mir und griff zum Telefon , kaum dass ich wieder zu Hause war. Es läutete und läutete, ich atmete innerlich auf. Helene war anscheinend nicht zu Hause, Gott sei Dank. Als ich aufstand, um meine Hand zu versorgen, klingelte das Telefon hinter mir her.
    „Helene?“
    „Wieso Helene? Ich bin’s - Caro.“
    „Hi. Ich hab grad versucht, bei Helene anzurufen und dachte, sie hätte vielleicht auf Rückruf gedrückt oder so. Wie geht’s dir?“
    „Ganz gut so weit. Ich wollte mal hören, wie Dor tmund zu dir ist.“
    Ich erzählte ihr von den Erlebnissen der letzten vierundzwanzig Stunden, wobei ich Hanna außen vor ließ. Alles musste Carolin schließlich auch nicht wissen.
    Die Sache mit den Hunden fand sie besonders lustig. „Ich glaube, du bist der einzige Mensch, dem ich so eine G eschichte abnehme“, meinte sie, „irgendwie müssen die Planeten bei deiner Geburt in einem kranken Verhältnis zueinander gestanden haben.“
    „ Danke für das Kompliment. Das hat noch niemand zu mir gesagt.“
    „Im Ernst, kennst du noch jemanden, dem so lche Dinge passieren?“
    „Nein“ , gab ich zu.
    „Was war das zum Beispiel mit diesen Türken? Oder mit dem Einbruch und dem kleinen Jungen?“
    „Komisch“, sagte ich, „daran hab ich vorhin auch wieder denken müssen.“
    „Weshalb ich eigentlich anrufe… Leo hat über ebay nen Schrank ersteigert, und rate mal, wo der steht?“
    „Keine Ahnung.“
    „Na, in Dortmund !“, klärte Carolin mich auf. „Der Antiquar hätte ihm das Ding auch geschickt, aber er dachte, wir könnten ihn ja genauso gut gemeinsam dort abholen und bei der Gelegenheit mal bei dir vorbeischauen.“
    Doch schön, solche Freunde zu haben, dachte ich mir. Alle Vorsätze von wegen Vergessen waren vergessen.
    „Wie lange könnt ihr bleiben?“, fragte ich.
    „Mal sehen, ein paar Tage. Kommt noch auf Verschiedenes an.“
    „ Ich freu mich auf euch. Sagt mir einfach kurz vorher Bescheid, wenn ihr wisst, wann ihr kommt.“
    „Tun wir ja gerade.“ Es klingelte unten an der Haustür. „Wir sind schon da. Bis gleich.“
    Ein Glück, dass ich mittags ein bisschen aufgeräumt hatte, die Wohnung sah schon ohne Partyspuren chaotisch genug aus. Ich fühlte mich ein bisschen überrollt, aber ich freute mich über den Besuch aus der alten Welt. Im Vorbeigehen beseitigte ich schnell noch hier und da ein paar Spuren, bis es draußen Sturm läutete. Mit wenigen Sätzen war ich bei der Wohnungstür und riss sie auf.
    Marie. Es war Marie, und sie machte ein entsetztes Gesicht.
    „Wie siehst du denn aus?“
    Ich folgte ihrem Blick, der von dem blutigen Lumpen in meiner Hand über mein angesengtes Hemd hinunter zu dem zerrissenen Hosenbein und wieder zurück wande rte.
    „Selber Hallo“, sagte ich. „Ich h atte nen schweren Tag.“
    „ Ist nicht zu übersehen, wenn ich ehrlich sein soll.“
    Sie bewegte sich keinen Millimeter von ihrem Platz weg. Ich schaute mich im Treppenhaus um, keine Spur von C arolin und Leo.
    „Bist du allein?“
    „Brauche ich denn Verstärkung?“ Marie versuchte ein Lächeln. „Die anderen sind noch unten geblieben. Sie
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