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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort
Autoren: Susan Waggoner
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dass mir jemand meine Zukunft voraussagt, dann kann ich auf den Jahrmarkt am anderen Ende der Stadt gehen.«
    »Ich lese keine Gedanken«, erklärte sie. Sie hatte dieses Gespräch schon öfter geführt, als sie zählen konnte, aber gewöhnlich mit älteren Patienten, die glaubten, dass mit dem psychischen Heilen nur ihre Krankenhausrechnung künstlich in die Höhe getrieben werden sollte.
    »Ach nein?«, erwiderte er herausfordernd.
    »Nein. Ich lese
Körper
.« Sie hatte das Wort
Körper
nicht betonen wollen. Aber ihre Stimme hatte ihr einen Streich gespielt, und jetzt spürte sie, wie ihr eine leichte Röte auf die Wangen stieg. Oft legte sie ihren Patienten, wenn sie mit ihnen arbeitete, die Hände auf, mit geöffneten Handflächen, um den Energiefluss zu erleichtern. Sie fragte sich, wie es sein würde, die glatte Wärme von Davids Körper durch seine Kleidung hindurch zu fühlen.
Hör auf!
, mahnte sie sich.
Hör auf, sonst gleitest du völlig aus der Ruhezone heraus und musst zurück und noch einmal mit dem Abstreifen anfangen.
    »Aber sind Gedanken und Körper nicht eins?«, fragte er. Zu ihrer Überraschung schien er nicht mehr abweisend, sondern wirklich interessiert zu sein und wollte anscheinend auch nicht mehr flirten.
    »In gewisser Weise«, antwortete sie. Die Gedanken und der Körper waren eins, aber wie das funktionierte, das hatte bisher nicht einmal die Wissenschaft ganz verstanden. Sie hätte allerdings nicht sagen sollen, dass sie Körper lesen konnte. Genau genommen stimmte das nämlich nicht. Sie machte bewusst und unbewusst unendlich viele winzige Beobachtungen und ließ zu, dass sich ein Muster ergab, ein Muster, dass die heilende Energie steuerte, die sie dem Patienten übermittelte.
    »Ich bin nur hier, um dir zu helfen«, sagte sie, machte einen Schritt auf ihn zu und streckte die Hand aus. »Laut deiner Krankenakte sollten wir uns erst mal diese Beule ansehen   … «
    »Komm mir bloß nicht näher!«, rief er und hob beide Hände, als wollte er sie von sich stoßen.
    Liza hielt inne. Sie hätte diesen letzten Schritt nicht machen und ihre Hand nicht ausstrecken sollen. Jetzt hatte sie den Patienten verloren. »Tut mir leid. Es ist nur, dass du bewusstlos warst, als man dich hierher gebracht hat, und Dr.   Morgan möchte   … «
    »Mir in den Kopf schauen. Habe ich schon verstanden. Nein, danke. Ich gehe jetzt.«
    Liza biss sich auf die Lippe. Wenn er ging und auf der Straße zusammenbrach, war das ihre Schuld.
    »Schau mal«, sagte er und schien ein wenig besänftigt, als er bemerkte, dass sie sich Sorgen machte. »Es geht mir gut. Ganz ehrlich – schau hin!« Er deutete auf seinen Kopf. »Siehst du auf meiner Stirn eine Beule?«
    »Na ja, eigentlich nicht, aber   … «
    Aber es war doch vorher eine da gewesen. Oder nicht? Sie merkte, dass er sie immer noch anstarrte. Seine Augen hatten im Grunde, seit sie ins Zimmer gekommen war, immer auf ihr geruht. Wieder spürte sie diese Anziehungskraft. Diesmal war es nicht so leicht, sich davon loszureißen, obwohl sich die Situationso katastrophal entwickelt hatte. Als sie es versuchte, geschah genau das Gegenteil. Sie verspürte eine Sehnsucht, wie sie sie noch nie empfunden hatte, und wusste, dass sie zum allerersten Mal in den Vorbereitungsraum zurückkehren und den Abstreifvorgang wiederholen musste, ehe sie einen anderen Patienten behandeln konnte.
    Und natürlich musste sie einen ausführlichen Bericht über alles schreiben, was geschehen war. Das würde keine leichte Sache sein, denn sie war sich überhaupt nicht sicher, was eigentlich geschehen war. War es David Suttons fester Blick, der sie ablenkte? Oder waren es seine Arme, die stark, aber gleichzeitig sanft wirkten und ihr die Frage aufdrängten, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn seine Hand sie berührte? Und die pulsierende Energie, die sie zwischen sich und ihm verspürt hatte   … Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie all diese Dinge in Worte fassen sollte, die jemand anders lesen würde. Sie konnte nicht einmal ihre Vermutung erwähnen, dass Piper es genossen hatte, ihr den zugeordneten Patienten wegzunehmen, und dass sie absichtlich versucht hatte, sie durcheinanderzubringen. Sie hatte keine Beweise dafür, und sie würde damit nur erreichen, dass Piper sie noch weniger leiden konnte. Liza schaute auf David Sutton. »Darf ich dir eine Frage stellen?«
    »Klar.«
    »Warum siehst du mich die ganze Zeit so an? Hast du mich schon mal irgendwo gesehen? Habe ich
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