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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer
Autoren: Ursel Scheffler
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Das blaue Zimmer
    Es war an einem sonnigen Freitag im Juni. Die Menschen drängten sich in der Fußgängerzone der Innenstadt. Zwei Jungen in bunten Jacken spielten Gitarre vor dem Kaffeegeschäft. Neben der Mütze mit den Münzen hatte sich eine Katze zusammengerollt. Aber sie kam nicht zu ihrem Mittagsschlaf. Erschrocken fuhr sie hoch, weil jemand mit einem Fahrrad ganz dicht an ihr vorbeiflitzte und in einer kleinen Gasse verschwand. „Frechheit!“, brummte der alte Zeitungsverkäufer. „Radfahren in der Fußgängerzone ist doch verboten!“

    Der Kunde, der gerade bei ihm eine Abendzeitung kaufen wollte, entdeckte noch etwas viel Aufregenderes: „Sehen Sie, da!“, rief er und deutete auf den Eingang der Bank.
    Hinter der Glastür stand ein Mann und fuchtelte wild mit den Armen. Jetzt ging ein Fenster am Bankgebäude auf, und eine Frau rief etwas, das man nicht verstehen konnte.
    „Macht mal Schluss mit eurer Katzenmusik!“, rief der Zeitungsverkäufer den Gitarren-Jungen verärgert zu.
    „Man versteht ja schon sein eigenes Wort nicht mehr!“
    Dabei meinte er, dass er nicht hören konnte, was die Frau aus dem Fenster gerufen hatte.
    Aber noch ehe die Gitarren verstummten, lief die Nachricht fix wie ein Fax durch die Menge: Banküberfall!
    Wenige Minuten später bahnte sich ein Polizeiwagen mit Sirene und Blaulicht seinen Weg durch die Fußgängerzone und stoppte direkt vor dem Bankeingang. Ein rundlicher älterer Herr mit Seehundsbart sprang aus dem Wagen. Mit einer Geschwindigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, lief er die Treppe hoch. Immer zwei Stufen auf einmal. Er unterhielt sich kurz mit dem Mann hinter der Glasscheibe. Dann machte er eine Flanke über das Treppengeländer und kletterte über einen Mauervorsprung in das offene Fenster. Noch ehe die Tür der Bank mit einem Nachschlüssel geöffnet worden war, hatte Kommissar Kugelblitz schon mit seinen Ermittlungen begonnen.

    „Er hatte einen Revolver!“, berichtete der Kassierer.
    „Eigentlich sah er ganz normal aus!“, meinte eine ältere Bankangestellte mit zitternder Stimme.
    „Etwas mager vielleicht. Und ich glaube, er hatte blaue Augen und dunkelblonde Haare. Wenn er die Blumen nicht gehabt hätte ...“
    „Was war mit den Blumen?“, forschte Kugelblitz.
    „Na, er hatte einen großen Blumenstrauß und sagte, die seien für unseren Chef. Seine Frau hätte Geburtstag, und es sei eilig. Da hab ich ihn hereingelassen. Vorne war ja schon abgeschlossen. Mittagspause. Und er sagte, er müsste das Geld noch bekommen, tja ...“
    „Na, das Geld hat er ja wohl bekommen.“ Kugelblitz unterdrückte ein Schmunzeln.
    „Ich dachte, er meinte das Geld für die Blumen“, sagte die Frau und begann zu schluchzen.
    „Selbstverständlich mussten Sie das denken“, versuchte Kugelblitz sie zu beruhigen.
    In der Zwischenzeit waren auch schon andere Zeugen verhört worden. Der Zeitungsverkäufer hatte von dem unverschämten Radfahrer berichtet. Und die Blumenfrau konnte sich genau an den jungen Mann mit Fahrrad erinnern, der bei ihr den Strauß gekauft hatte, welcher nun als Beweismittel auf dem Bankschalter lag.
    „Es war ein Klapprad Marke ,Fliegender Holländer’“, sagte sie. „Das weiß ich genau, so eines hat meine Tochter auch! Die Haare? Die waren dunkelbraun ...“
    Die Personenbeschreibungen der einzelnen Zeugen deckten sich nicht. Jeder beschrieb den jungen Mann etwas anders. In dieser Beziehung war der Kommissar Kummer gewöhnt. Die meisten Menschen beobachteten ungenau. Und dann kam es auf die Beleuchtung an. In einem dunklen Raum sahen Haare anders aus als draußen auf der sonnigen Straße. Außerdem konnte der Täter eine Perücke benützt haben.
    In einem waren sich allerdings alle einig: Der Bankräuber war ziemlich mager und sprach mit einem leichten niederländischen Akzent.
    Als Kommissar Kugelblitz am Nachmittag auf dem Revier alle Aussagen noch einmal aufmerksam durchlas, durchzuckte ihn ein Geistesblitz. Natürlich! Dass er daran nicht gedacht hatte! Das konnte eigentlich nur Jan Fietse gewesen sein.
    Jan Fietse, der geschickte Gauner, der sich statt auf schnelle Autos lieber auf sein Fahrrad verließ, wenn es galt zu entwischen.
    Er war dabei meist gut gefahren . Denn bisher hatte man ihm nie etwas nachweisen können.
    Beim letzten Mal hatte ihn Kugelblitz fast erwischt. Aber nur fast. Im letzten Augenblick waren drei Leute aufgetaucht, die schworen, dass sie zur Tatzeit mit Jan Billard gespielt hatten.
    Und dieses
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