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Heyne Galaxy 10

Heyne Galaxy 10

Titel: Heyne Galaxy 10
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Gefangene der Ewigkeit
    (Hawksbill Station)
     
    Robert Silverberg
     
     
    1
     
     
    Barrett war der ungekrönte König im Hawksbill-Lager; er war am längsten hier, hatte am meisten gelitten und besaß die größte seelische Kraft, was das Durchhalten betraf.
    Vor seinem Unfall hatte er es mit jedem anderen hier aufnehmen können. Und obwohl er jetzt nur noch ein Krüppel war, umgab ihn nach wie vor die Aura der Macht, die ihm die Kommandogewalt verlieh. Wenn irgendwo im Lager ein Problem auftauchte, wurde es Barrett vorgetragen. Anders war es gar nicht mehr denkbar; Barrett war der König.
    Sein Königreich war sogar von beachtlicher Größe; es umfaßte einen ganzen Planeten, von Pol zu Pol. Aber das wollte nicht viel besagen.
    Es hatte wieder zu regnen begonnen. Barrett erhob sich mit der für ihn typischen, scheinbar so mühelosen Bewegung, die ihm doch jedesmal ein winziges Quantum sorgfältig verborgener Qual bereitete, und schlurfte zur Tür seiner Hütte. Der Regen machte ihn unruhig; das Trommeln der großen, fettigen Tropfen auf dem Wellblechdach seiner Hütte konnte selbst einem Jim Barrett auf die Nerven gehen. Er stieß die Tür auf und warf von der Türschwelle aus einen Blick über sein Königreich.
    Nackte Felsen, die sich bis zum Horizont zu erstrecken schienen; roher Dolomitstein, der kein Ende nahm, wohin man auch schaute. Ein ganzer Kontinent aus Fels, auf dem jetzt die Regentropfen tanzten. Keine Bäume, kein Gras. Hinter Barretts Hütte begann die unendliche graue See. Auch der Himmel war grau, selbst wenn es nicht regnete.
    Er humpelte in den Regen hinaus. Er hatte sich inzwischen an den Umgang mit der Krücke gewöhnt und stützte sich mit einigem Geschick auf das Holzgestell, während er den zerquetschten linken Fuß baumeln ließ. Ein Felsrutsch war ihm zum Verhängnis geworden, während der Expedition zum großen Inlandsee im letzten Jahr. Zu Hause hätte man ihn sofort in prothetische Behandlung genommen und ihn den Unfall in kurzer Zeit vergessen lassen; ein neues Knöchelgelenk, ein neuer Spann, neue Zehen und Gewebe. Aber zwischen ihm und ›zu Hause‹ lagen zwei Milliarden Jahre, und es gab kein Zurück.
    Der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Barrett war ein stattlicher Mann, ein Meter neunzig groß, mit rätselhaften dunklen Augen, einer vorspringenden Nase und einem stark ausgeprägten Kinn. Er hatte einmal weit über zweihundert Pfund gewogen. Aber das war in der guten alten Zeit gewesen, als er noch mit Begeisterung Fahnen geschwenkt und Manifeste veröffentlicht hatte. Inzwischen war er über sechzig und begann bereits ein wenig zusammenzufallen; wo sich früher mächtige Muskeln spannten, begann die Haut ein wenig schlaff zu werden. Es war nicht leicht, hier sein Gewicht zu halten. Das Essen war zwar nahrhaft, aber doch nur bis zu einem gewissen Grade; und erst hier lernte man, was es heißt, sich nach einem richtigen Steak zu sehnen. Denn geschmortes Brachiopodenfleisch und Trilobitenbraten waren kaum ein richtiger Ersatz. Barrett beklagte sich jedoch nicht; er war ein Mann weniger Worte, und über das Stadium der Verbitterung war er hinaus. Das war mit ein Grund, warum die Männer ihn als ihren Anführer betrachteten. Er hatte sich am sein Schicksal ergeben, das ihn zum ewigen Exil verdammte, und auf diese Weise konnte er anderen behilflich sein, ihre schwierige Anfangszeit zu überwinden.
    Eine dunkle Gestalt kam durch den Regen auf ihn zu, Norton, der doktrinäre Chruschtschow-Anhänger mit trotzkistischen Neigungen. Ein kleiner, leicht erregbarer Mann, der sich gern zum Überbringer von Neuigkeiten machte, wenn es wirklich einmal etwas Neues gab. Jetzt rannte er auf Barretts Hütte zu, wobei er des öfteren ausrutschte und sich nur mit Mühe auf den Beinen hielt.
    Barrett hob warnend die Hand. »Langsam, langsam, Charley! Du wirst dir noch das Genick brechen.«
    Nortons schütteres Haar fiel ihm in nassen Strähnen ins Gesicht. In seinen Augen stand der Abglanz des Fanatismus – vielleicht litt er aber auch nur unter Astigmatismus. Er rang um Atem und stolperte in Barretts Hütte, wobei er sich wie ein junger Hund schüttelte. Offensichtlich hatte er die dreihundert Meter vom Hauptgebäude des Lagers laufend zurückgelegt, was bei diesen Bodenverhältnissen eine beachtliche Leistung darstellte.
    »Wieso stehst du hier draußen im Regen?« fragte Norton.
    »Um naß zu werden«, erwiderte Barrett und folgte ihm ins Innere der Hütte. »Was gibt es Neues?«
    »Der Hammer
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