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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud
Autoren: Nicholas Meyer
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VORWORT
    Ohne Zweifel wird die literarische Welt das Auftauchen eines unveröffentlichten Manuskripts von John H. Watson mit ebensoviel Skepsis wie Erstaunen begrüßen. Sie würde sich wohl eher mit der Entdeckung einer weiteren Schriftrolle vom Toten Meer abfinden als mit einem erneuten Werk aus der Feder des unermüdlichen Biographen.
    Gewiß, es gibt eine Flut von Fälschungen – manche davon nicht schlecht, andere einfach läppisch –, und so wird das Erscheinen einer neuen, als authentisch ausgegebenen Chronik bei der seriösen Forschung wohl auf gelangweilte Ablehnung stoßen. Woher stammt sie, und warum wurde sie nicht früher gefunden? Das sind die unvermeidlichen Fragen, die der Gelehrte sich stellen wird, bevor er damit beginnt, die Myriaden von Fehlern und Widersprüchen in Stil und Inhalt aufzudecken und das Manuskript als Schwindel zu entlarven.
    Was das vorliegende Dokument angeht, so ist es nicht von Bedeutung, ob ich es für echt halte, was ich übrigens tue. In meinen Besitz gelangt ist es durch einen klaren Fall von Vetternwirtschaft, was der im folgenden ungekürzt abgedruckte Brief meines Onkels bezeugt.

    London, 7. März 1970
    Lieber Nick,
    ich weiß, daß Deine Zeit so knapp ist wie die meine, ich komme also gleich zur Sache. (Und keine Sorge, das anliegende Paket soll nicht beweisen, wie lustig und/oder leicht das Leben eines Börsenmaklers ist.)
    Vinny und ich haben vor drei Monaten ein Haus in Hampshire gekauft – von einem Witwer namens Swingline (ob Du es glaubst oder nicht). Der arme Mann hatte gerade seine Frau verloren – sie war, soweit ich weiß, erst um die Fünfzig – und war ganz gebrochen. Er wollte so schnell wie möglich ausziehen. Sie hatten das Haus seit dem Krieg bewohnt, und er konnte sich nicht dazu überwinden, den Speicher zu betreten. Alle wichtigen Effekten und Dokumente bewahrte er im Haus selbst auf (wieviel sich doch in einem Leben ansammelt), und er schlug uns vor, den Speicher selbst aufzuräumen und alles zu behalten, was wir brauchen konnten.
    Na, man hat nicht oft Gelegenheit, im Trödel anderer Leute zu kramen und sich zu nehmen, was man will, aber ich muß ehrlich sagen, daß mir der Gedanke immer weniger behagte. Der Speicher stand gerammelt voll mit Möbeln, Nippes, Stehlampen, verstaubten Gegenständen aller Art, sogar alten Schrankkoffern(!), aber irgendwie war es mir unangenehm, in der Vergangenheit des armen Swingline zu stöbern, selbst mit seiner Zustimmung.
    Vinny empfand das zwar auch, aber ihr häuslicher Instinkt war stärker. Sie hoffte – immer die heutigen Möbelpreise vor Augen –, dort oben etwas für unsere Einrichtung zu finden. Außerdem wollte sie einige unserer eigenen Sachen verstauen. Sie verschwand also nach oben und kam, schwarz wie ein Schornsteinfeger und halb erstickt von Staub, wieder herunter. Ich will Dich nicht mit Einzelheiten langweilen, aber wir fanden das anliegende Dokument, fotokopierten es und schicken es Dir hiermit zu. Offensichtlich war die verstorbene Mrs. Swingline Sekretärin (ihr Mädchenname war Dobson) und arbeitete in dieser Eigenschaft im Aylesworth House, einem Altersheim, das kürzlich vom Nationalen Gesundheitsdienst übernommen worden ist (hurra, hurra). Sie half dort unter anderem den Patienten mit Briefen und dergleichen, und im Rahmen dieser Tätigkeit schrieb sie auf ihrer Schreibmaschine (die sich übrigens auch – in erstklassigem Zustand – auf dem Speicher fand) das beigefügte Manuskript nach dem Diktat eines gewissen ›Dr. John H. Watson‹, wie er sich selbst nennt.
    Ich nahm mir Zeit mit dem Lesen und hatte schon drei Seiten dessen hinter mir, was er seine ›Einführung‹ nennt, bevor mir klar wurde, um was es sich da handelte. Natürlich kam mir der Gedanke, es könne irgendein erfolgloser Schwindel sein, der schließlich auf dem Dachboden endete; also versuchte ich, Näheres herauszufinden. Zunächst einmal stellte ich fest, daß Swingline überhaupt nichts von der Sache wußte. Ich befragte ihn unauffällig, doch er konnte sich weder erinnern noch zeigte er das geringste Interesse. Dann bat ich die Verwaltung von Aylesworth House, ihre Unterlagen für mich durchzusehen. Es war ein bißchen unsicher, ob so alte Akten noch komplett sein würden – der Krieg hatte alles durcheinandergebracht –, aber ich hatte Glück. Im Jahr 1932 war ein Dr. John H. Watson eingeliefert worden (mit schwerer Arthritis), und seinem Gesundheitszeugnis war zu entnehmen, daß er bei den
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