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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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ein sonniger, frostklarer Tag. An Frühling war noch nicht zu denken, und der Sommer schien Lichtjahre entfernt zu sein.
    Lenas Bauch war schon so dick, daß ihr kein Mantel mehrpaßte. Den ganzen Februar war sie in Krotows weiter Daunenjacke herumgelaufen, in der sie sich wie ein Faß auf Beinen vorkam.
    »Es ist lästig, so dick zu sein«, klagte sie, »lästig und häßlich.«
    »Im Gegenteil, du bist sehr schön!« hielt Krotow dagegen.
    An diesem 1. März, es war ein Sonnabend, wollten sie in das Waldgebiet des Serebrjany bor hinausfahren, sich ein wenig Bewegung verschaffen und reine Waldluft atmen.
    Langsam gingen sie über geräumte Wege und sprachen kein Wort. Sie genossen es, gemeinsam zu schweigen, der Stille zu lauschen, in der nur das Knirschen ihrer Schritte zu hören war und das dumpfe Geräusch, wenn der Schnee von den Bäumen fiel.
    Unvermittelt blieb Lena stehen und sagte: »Jetzt ist es soweit. Gehen wir zum Auto zurück.«
    »Was ist mit dir?« fragte Krotow erschrocken.
    »Ich muß in die Klinik.«
    Schwerfällig schob sie sich auf den Rücksitz und murmelte durch die zusammengebissenen Zähne: »Erschrick nicht, wenn ich schreie. Ich nehme mich zusammen, aber es tut höllisch weh.«
    »Schrei, so laut du willst, tu dir keinen Zwang an!«
    An einer Bushaltestelle bremste Krotow scharf und fragte ein Pärchen, das dort frierend wartete: »Sagen Sie, wo ist hier die nächste Entbindungsstation?«
    »An der Salam-Adil-Straße ist ein Krankenhaus.«
    »Sergej, könntest du mir beistehen, wenn es hier auf der Stelle passiert?« fragte Lena, als sie über eine Brücke fuhren.
    »Weiß ich nicht. Hab’s noch nicht probiert.«
    »Da sieht man’s wieder. Einen amerikanischen Polizisten hätte ich heiraten sollen. Die werden in so was ausgebildet.«
    Der Schwester, die ihm Lenas zusammengelegte Kleider brachte, drückte Krotow ein paar Scheine in die Hand.
    »Das ist aber nicht nötig«, wehrte diese verschämt ab, steckte das Geld jedoch rasch in die Tasche ihres Kittels. »Fahren Sie nach Hause. Was wollen Sie hier herumsitzen? Rufen Sie später an, und man sagt Ihnen alles Nötige. Haben Sie unsere Telefonnummer?«
    »Telefonnummer? Hm, nein. Ich weiß nicht …«
    Die Schwester kritzelte die Nummer auf einen Fetzen Papier und reichte ihn Krotow. »Was stehen Sie noch herum? Fahren Sie nach Hause. Man kann Sie gar nicht anschauen.«
    »Was meinen Sie, wird es … noch lange dauern?«
    »Bei Ihrer Frau? Nein, nicht mehr lange. Vierzig Minuten, höchstens eine Stunde.«
    »Kann ich nicht doch hier warten?«
    »Na, dann bleibe meinetwegen hier sitzen. Wenn es geschafft ist, schicke ich jemanden raus oder komme selber. Was fängt man mit so einem Nervenbündel an?«
    Als die Schwester gegangen war, brauchte Krotow dringend eine Zigarette. Einige Minuten lang konnte er sich beherrschen, aber dann ging er vor die Tür, rauchte hastig, kam zurück und schaute auf die Uhr. Die Zeiger hatten sich kaum bewegt. Ihm schien, als sei eine Ewigkeit vergangen.
    »Sind Sie der Mann von Lena Poljanskaja?« hörte er über sich eine strenge Frauenstimme.
    Er hob den Kopf. Vor ihm ragte eine hochgewachsene magere Frau in weißem Kittel und Operationsmaske auf.
    Krotow stockte der Atem.
    »Sie haben eine Tochter. 3300 Gramm, 51 Zentimeter. Gesund und munter, aber ein Schreihals. Gratuliere.«
     
    Am Sonntag ging Krotow zunächst auf den Markt, um Obst für Lena einzukaufen, dann in die Klinik und von dort zu Georgi und Lida Gluschko, um sich Rat zu holen, was für den Empfang der Kleinen vorzubereiten war. Die hatten drei Kinder und mußten es schließlich wissen.
    Nach Hause kam er erst gegen neun Uhr abends. Als eraus dem Fahrstuhl stieg, steckte die Nachbarin den Kopf durch die Tür.
    »Sergej Sergejewitsch«, fragte die betagte Frau im Bademantel freundlich, »darf man Ihnen gratulieren? Jemand hat eine Menge Sachen abgegeben, und Sie waren nicht zu Hause. Es liegt alles bei mir.«
    Im Flur der Nachbarin roch es nach Katzen und Kohlsuppe. Vor ihrem Wandschrank standen ein verpacktes Kinderbett, ein Kinderwagen und ein riesiger Lederkoffer.
    »Wer hat das alles gebracht?«
    »Eine junge Frau. Eine große, hübsche Blondine.«
    In dem Koffer waren zwei Päckchen Pampers, Windeln, Strampler, Jäckchen und ein paar lustige Stofftiere. Obendrauf ein Paket mit einem winzigen Deckbett. Ein doppelt gefaltetes Blatt fiel heraus. Krotow nahm es und las: »Bitte bei der Rückkehr aus der Entbindungsklinik übergeben.«
    Kein
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