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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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wurde die Tür geschlossen und die Gangway fortgerollt.
    »Du mußt verrückt sein«, bemerkte Sweta. »Hast du sie wirklich die ganze Zeit mit dir herumgeschleppt?«
    »Sie war nicht groß«, antwortete Lena und ließ sich schwer atmend auf ihren Sitz fallen. »Ich hatte sie einfach vergessen.«
    »Ich hoffe, du hast sie nicht in den ersten besten Abfallkorb geworfen?«
    »Nein. Ich habe sie einem Polizisten gegeben und gesagt: ›Überreichen sie dieses Spielzeug bitte Detective McCoventry von der Kriminalpolizei mit einem herzlichen Gruß von Lena aus Rußland. Aus dieser Pistole sind in Brighton zwei Banditen erschossen worden.‹«
    »Und was hat der Polizist geantwortet?«
    »Er hat stramm gestanden und gesagt: ›Danke, Madam, das wird Amerika Ihnen nicht vergessen!‹«
    Beide prusteten los, Tränen rollten ihnen über die Wangen, und sie konnten sich lange nicht beruhigen. Die gesitteten Passagiere der Business Class schauten sich verwundert nach ihnen um.

Sechsundzwanzigstes Kapitel
    Weiß’ Bart wuchs so schnell, daß er bald kaum noch zu erkennen war. Außerdem hatten ihn die letzten Tage sehr verändert. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, die Wangen waren eingefallen. Trotz Ruhe und frischer Luft fand er keinen Schlaf und brachte keinen Bissen herunter.
    »Du fällst mir ja ganz vom Fleisch, Söhnchen«, seufzte die Hausfrau, wenn sie ihn anschaute. »Du ißt nichts, sagst nichts, als ob du einen schweren Kummer hättest.«
    Er besaß eine Kopie von Lenas Foto, die er hatte anfertigen lassen, bevor dieses in die Hände des Hexers gelangt war. Irgendwie hatte er wohl gespürt, daß er es vielleicht noch einmal brauchen könnte. Als er jetzt in dieses hübsche, lachende Gesicht schaute, war ihm klar: Solange sie lebte, würde er keine Ruhe finden.
    Sein Geschäft hatte ihm nicht nur Geld eingebracht. Ihm war es gelungen, neue Technologien zu entwickeln, um nicht nur die Frucht und die Plazenta, sondern auch das Fruchtwasser und das Blut der Mütter zu verarbeiten. Das Präparat fand immer breitere Anwendung, und die Aussichten waren vielversprechend. Wie viele Jahrhundertesuchte die Menschheit bereits nach dem Elixier der ewigen Jugend! Er, Anatoli Weiß, war ihm am nächsten gekommen. Das bedeutete nicht nur märchenhafte Summen und Ruhm, sondern auch …
    Weiß merkte nicht, daß er laut vor sich hin redete. Die Tür seines Zimmers stand halb offen. Tante Polja steckte den Kopf herein und fragte: »Hast du mich gerufen, Söhnchen?« Als sie das Foto in seiner Hand bemerkte, kam sie näher. »Ist das deine Frau?«
    Weiß fuhr zusammen und steckte das Foto weg.
    »Machst du dich wegen ihr so fertig? Sie ist schön …« Die Alte seufzte auf und verschränkte die Arme über der Brust.
    »Ich mache mich fertig?« fragte Weiß erstaunt zurück. »Ja, es stimmt. Wegen ihr«, bekannte er, unerwartet für sich selbst. Und es war die Wahrheit.
    Dann hüllte er sich wieder in Schweigen. Tante Polja seufzte noch einige Male auf und entfernte sich kopfschüttelnd.
    In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch machte er kein Auge zu. Er kochte sich in der Küche Kaffee, warf sich die Jacke über und trat vor die Tür, um zu rauchen.
    Der Schnee, der am Tage gefallen war, blieb jetzt schon liegen. Es hatte aufgeklart. Die Sterne strahlten kalt auf ihn herab, fast wie im Winter. Die milde Frostluft roch nach Frische, und es war so still, wie die Nächte nur in den ersten Wintertagen sind.
    Gutes Flugwetter, die Maschine wird pünktlich sein, dachte Weiß, als er in den sternklaren Himmel schaute. Er ging wieder hinein, verschloß seine Zimmertür und prüfte zum wiederholten Mal seinen kleinen, gut gepflegten Browning.
     
    »Lena soll uns als Köder dienen, um Weiß zu fassen?« fragte Krotow ungläubig und blickte seinem Chef in die Augen.
    »Hast du eine andere Variante?« gab dieser zurück. »Machkeine Panik. Der Flughafen ist umstellt, die Jungs bilden um deine Lena sofort einen Kordon. Aber du weißt doch selber: Wenn wir ihn überhaupt nicht an sie heranlassen, verschwindet er wieder. Und wenn wir ihn heute nicht kriegen, dann müssen wir deine Herzallerliebste auf unbestimmte Zeit in einen unterirdischen Bunker stecken. Der gibt keine Ruhe, bevor er sein Ziel nicht erreicht hat.«
    »Dafür genügt eine Sekunde …«, bemerkte Krotow düster.
    »Hör mal, wie oft hat sie in der letzten Zeit dem Tod ins Auge gesehen? Es ist immer irgendwie gut gegangen. Und es wird auch diesmal gut gehen. Wir stoppen diesen
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