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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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Weiß. Das schaffen wir. Sie ist unter einem glücklichen Stern geboren.«
    »Hör auf damit! Du redest das Unglück noch herbei!«
    Krotow brüllte fast und hieb dreimal wütend mit der Faust auf die Schreibtischplatte.
    »So aufgedreht kenne ich dich ja gar nicht«, bemerkte Kassakow. »Nimm dich zusammen. Das ist die letzte Aktion.«
     
    Weiß betrat das Flughafengebäude in Scheremetjewo erst fünfzehn Minuten nach der Meldung, daß die Maschine gelandet sei. Er wollte sich nicht länger in der Menge der Wartenden aufhalten als unbedingt nötig.
    Er sah sofort, daß viel mehr Miliz anwesend war als gewöhnlich. Das kümmerte ihn wenig: In diesem Aufzug konnten sie ihn nicht erkennen, selbst wenn jeder Milizionär sein Foto bei sich trug. Und die waren sicher nicht zu seinen Ehren aufmarschiert: Moskau war in Panik vor Terroristen aus Tschetschenien, für die der Flughafen ein bevorzugtes Zielobjekt darstellte.
    Vor der Barriere drängte sich eine große Menschenmenge. Durch die noch leeren Ausgänge konnte man sehen, wie die Passagiere der Maschine aus New York in die Halle mit den Gepäckbändern strömten. Einige gingen zunächst zu denDuty-Free-Shops, andere standen wartend herum und rauchten. Seine rechte Hand umkrampfte in der Jackentasche den Griff der Pistole. Ja, sie würden ihn sofort festnehmen. Hier war kein Entkommen mehr. Aber früher oder später passierte das sowieso. Und wenn er diesen Schuß getan hatte, war das auch nicht mehr so wichtig.
    In den Ausgängen erschienen die ersten Passagiere. Sie schoben Gepäckwagen vor sich her und schauten sich suchend nach bekannten Gesichtern um. Die Menge kam in Bewegung.
    Weiß wurde von seinem Platz abgedrängt, wo er alle drei Schalter der Zollkontrolle gut im Blick hatte. Ohne unhöflich zu sein, suchte er eine aufgeregte, füllige Dame etwas beiseite zu schieben, die ihm im Blickfeld stand.
    »Bürger, drängeln Sie doch nicht so!« sagte die laut und empört.
    »Entschuldigung«, entgegnete er leise und suchte sich eine andere Wartestellung.
    Lena entdeckte er bereits, als sie noch an der Paßkontrolle stand. Sein Herz schlug zum Zerspringen. Durch diese Tür mußte sie herauskommen, dann noch ein Schritt, Waffe hoch und …
    Der Grenzbeamte hielt Lena länger auf als andere Passagiere. Krotow sah, wie die Blondine hinter ihr langsam unruhig wurde. Aber der Grenzer nahm sich Zeit. So war es abgesprochen.
    Dabei durfte er nicht übertreiben. Weiß konnte das Manöver durchschauen und sich absetzen. Fassen mußten sie ihn hier, in dieser Minute, da die Menge sich bereits lichtete.
    Krotow und alle seine Kollegen trugen natürlich Weiß’ Foto bei sich und hatten seine Gesichtszüge gründlich studiert. Sie wußten aber auch, daß sich ein Mensch bis zur Unkenntlichkeit verändern kann, besonders wenn er mittelgroß ist, eine Durchschnittsfigur hat, auf 45 bis 50 Jahre geschätzt wird und keine besonderen Kennzeichen aufweist.
    Kaum zwei Meter von Krotow entfernt stand ein älterer Mann, fast schon ein Greis, mit einem kurzen grauen Bart und einer schwarzen Strickmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Seine Hände steckten in den Taschen einer dunkelblauen, pelzgefütterten Jacke. Plötzlich bemerkte Krotow, wie ungeheuer angespannt der Mann war.
    In derselben Sekunde sah er Lena, die lächelnd dem Ausgang zustrebte und freudig seinen Namen rief: »Sergej!«
    Ohne zu überlegen, stürzte sich Krotow auf den Alten und riß ihm den Arm nach hinten. Ein Browning fiel zu Boden. Aber zuvor löste sich ein Schuß: Weiß hatte in der Tasche den Finger bereits am Abzug gehabt. Es war kein ohrenbetäubender Knall, aber sofort wurde es im Flughafen totenstill. Die Menge wich zurück. Weiß lag bereits am Boden, die Arme in Handschellen auf dem Rücken. Ein Mann von der Einsatzgruppe durchsuchte ihn. Krotow aber sah nur noch Lenas bleiches Gesicht mit den weit aufgerissenen grauen Augen. Sie barg es schweigend an seiner Brust. Eine unbekannte Stimme rief laut: »Einen Arzt! Schnell einen Arzt!« Jetzt erst verspürte Krotow einen stechenden Schmerz im linken Bein.
    »Ein glatter Durchschuß, der Knochen ist unverletzt«, teilte ihm ein junger, gutgelaunter Arzt mit, während er ihm im Flughafenstützpunkt einen Druckverband anlegte. »Bis zur Hochzeit ist alles wieder gut! Nehmen Sie das zum Andenken mit.« Er hielt ihm auf der Handfläche ein kleines, längliches Projektil entgegen.

Epilog
    Der 1. März, in Rußland traditionell der Frühlingsanfang, war
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