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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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Wereschtschagin, ist mein Großonkel. Ich wollte schon lange mal zu ihm …«
    »Sehr poetisch – als Mönch in Amerika.« Sweta lachte. »Das könntest du doch auch in Rußland haben.«
    »Was für ein Mönch wird schon aus mir! Ich will meinen Großonkel wiedersehen. Die Wereschtschagins sind selten geworden auf dieser Welt. Eine Weile kann ich bestimmt den Novizen spielen und in einer Klosterwerkstatt arbeiten. Und was dann wird, weiß Gott allein. Vielleicht komme ich auch nach Rußland zurück. Im Moment fehlen mir dafür die Papiere und das Geld.«
    »Aus dir wird nie ein Novize.«
    »Warum?«
    »Du hast so einen unzüchtigen Blick!«
     
    Drei Tage später verabschiedeten sie Arseni nach San Francisco. Die Schrammen in seinem Gesicht waren fast verheilt.Sweta kaufte ihm ein paar anständige Sachen. Im dunklen Pullover über einem schneeweißen Hemd sah er wieder blendend aus.
    Sie hatten noch eine halbe Stunde bis zum Start. Der Flughafen war fast leer. Sie ließen sich in einem kleinen Café nieder.
    »Wirst du manchmal an mich denken?« fragte Arseni unvermittelt und schaute Sweta in die Augen.
    »Ich schreibe dir«, versprach Sweta.
    Um nicht zu stören, stand Lena auf und ging ein paar Schritte zum Supermarkt hinüber.
    »Briefe brauchen lange«. Arseni seufzte. »Ob wir uns wohl irgendwann wiedersehen?«
    »Das weiß Gott allein …«
    Einige Minuten saßen sie so und sahen sich schweigend an. Arseni nahm ein kleines Emaillebild der Kasaner Muttergottes, das er zusammen mit einem Kreuz auf dem Leib trug, und gab es Sweta.
    »Danke«, sagte sie und preßte es in ihrer Hand zusammen.
    Der dritte Aufruf zum Einsteigen erklang. Lena kam zurück.
    »Es wird Zeit.« Arseni stand auf, zog aus seiner Tasche ein dickes, abgeschabtes Notizbuch mit kariertem Einband hervor und gab es Lena.
    »Wenn du kannst, dann wähle aus, was dir gefällt, und versuche, es in Rußland herauszubringen.«
    Lena blätterte in dem Heft, das von der ersten bis zur letzten Seite mit Gedichten gefüllt war. »Okay. Ich will tun, was ich kann. Schreib mir.«
     
    Der Hexer war ein begeisterter Billardspieler. Donnerstags von acht bis zehn konnte man ihn immer in einem Billardlokal an der Presnja finden.
    Er war kein bißchen erstaunt, als Weiß bei ihm auftauchte. Er wußte, daß dieser ihn persönlich aufsuchen würde. Selbstden Inhalt des Gesprächs konnte er sich ungefähr vorstellen.
    Für einen Mann auf der Flucht sah Weiß nicht schlecht aus. Er hatte sich lange nicht rasiert, aber das stand ihm gut. Selbst die schwarzen Jeans und der dicke weiße Pullover schienen besser zu ihm zu passen als die strengen Anzüge, die er sonst trug.
    Der Hexer wog rasch alles Für und Wider ab. Eigentlich konnte er gar nichts verlieren, wenn er auf Weiß’ Angebot einging, aber durchaus eine Menge gewinnen. Und Weiß hatte er bald geschluckt. Der kam ja schon auf allen vieren angekrochen. Nicht einmal das Killerhonorar hatte er zurückverlangt, als hätte er es längst vergessen.
    »Wo kann ich dich finden?« fragte er rasch und sah Weiß dabei nicht an.
    »Wieviel Zeit brauchst du, um herauszukriegen, wer hinter mir her ist?« antwortete der mit einer Gegenfrage.
    »Zwei Tage, nicht mehr.« Der Hexer schlug seinem Gegenüber auf die Schulter. »Wo also verkriechst du dich? Vielleicht sagst du’s mir aus alter Freundschaft?«
    »Ich ruf ’ dich in zwei Tagen wieder an. Ich lauf ’ dir schon nicht weg.« Weiß zwang sich zu einem Lächeln. »Ich verkrieche mich auch nicht. Will nur meine Ruhe haben. Dort ist kein Telefon. Ich muß ein Stück fahren. Was kümmert dich das? Am Sonnabend melde ich mich.«
    Von wegen, er versteckt sich nicht! dachte der Hexer hämisch. Die Miliz ist mit hängender Zunge hinter ihm her, aber er ruht sich aus. Den Hochmut werde ich ihm schon noch austreiben. Und zwar mit dem größten Vergnügen. Der Hexer verzog genüßlich das Gesicht.
    »Na, du mußt’s wissen«, sagte er laut und ging zum Billardtisch zurück.
     
    Zwei Tage lang verhielt Weiß sich ruhig, hackte Holz für die Hausfrau, heizte das Badehäuschen auf dem Hof, schwitzte mit Genuß und schlug sich mit Birkenreisern.
    Am Samstagmorgen ging er ohne Eile zur Bahnstation und nahm den Vorortzug, der aus Moskau kam. Eineinhalb Stunden später stieg er an der Endstation aus, einem alten Städtchen ganz am Rande des Moskauer Gebiets. Bei den Fernsprechern auf der Post war es leer. Weiß erstand einige Chips und rief den Hexer an.
    »Ich kenn’ dich nicht
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