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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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Aber ich kann nicht. Ich bin eine gefühllose Puppe, innerlich vollkommen leer …
    Sie ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Zu Steven fahren– das war das letzte, was sie jetzt noch für Lena tun konnte. Aber das durfte sie nicht. Der Alte wußte, wohin Lena gefahren war, und kannte Arseni. Wenn er feststellte, daß beide verschwunden waren, verständigte er gewiß die Polizei. Die begann zu wühlen, eins und eins zusammenzuzählen … Inzwischen war sie längst über alle Berge, aber das Risiko durfte sie nicht eingehen. Das wäre unvernünftig. Und was ging sie schließlich ein fremder alter Amerikaner an?
    Das vernünftigste war, rasch und unbemerkt in ihr Studio zu fahren, ein Ticket für den nächsten Flug zu bestellen und so schnell wie möglich zu verschwinden.
    Sweta befahl sich, jetzt an nichts anderes zu denken. Es hatte ohnehin keinen Sinn mehr. An der Ecke der Sidney-Street parkte sie ihren Wagen so, daß Steven ihn aus dem Fenster nicht sehen konnte. Wenn ihr zufällig ihre Vermieterin Suzy über den Weg lief, würde sie sagen, sie müsse für drei Tage dienstlich nach Washington …
    Sweta ging mit gesenktem Kopf, tief in Gedanken, einige Dutzend Meter die leere Straße entlang. Sie kam erst wieder zu sich, als sie feststellte, daß sie an Stevens Tür klingelte.
    »Wie gut, daß Sie so schnell zurück sind. So kommen wir doch noch ins Restaurant.« Der Alte war ganz aufgeregt. »Ich weiß nur nicht, was ich mit diesem Arseni machen soll. Sein ganzes Gesicht ist blutunterlaufen, und mit seinen Armen ist auch was nicht in Ordnung. Ich wollte schon meinen Hausarzt rufen, aber Lena meint, das sei nicht nötig …«
    Sweta erstarrte zur Salzsäule.
    »Sie sind oben im Bad.«
    Sweta flog die Treppe hinauf und riß die Tür auf.
    Auf dem Wannenrand saß Arseni mit zerschundenen Lippen und einem dicken blauen Auge. Lena stand über ihn gebeugt und versuchte die Handschellen mit einer Nagelfeile zu öffnen.
    »Wovon man nichts versteht, das soll man seinlassen.«Sweta holte aus ihrer Tasche eine Nagelschere, drehte sie einmal im Schloß, und die Handschellen sprangen auf.
    Arseni rieb sich die schmerzenden Gelenke.
    »Von Ihnen habe ich schon lange gewußt. Ich habe nur nicht gedacht, daß Sie so schön sind.«
    Er verbeugte sich galant und küßte Sweta mit seinen geschwollenen Lippen die Hand.
    »Ihr habt wohl sieben Leben!« konnte Sweta nur sagen.
    »Übrigens habe ich noch etwas rausgekriegt. Auch deswegen durften sie uns nicht umbringen.« Arseni lächelte schuldbewußt. »Die Leute vom Doktor waren hinter Lena her. Sein richtiger Name ist Muchtar Ismailow …«
    »Der Besitzer des Restaurants ›Schwarze Augen‹, des Wellness-Centers ›Doktor Nikiforoff‹ und einiger großer Geschäfte«, fuhr Sweta fort. »Das weiß ich schon. Woher kommt eigentlich der Name ›Nikiforoff‹?«
    »Seine Geliebte heißt Wika Nikiforowa. Ihr zu Ehren hat er das Etablissement so genannt, auf amerikanisch mit zwei f am Ende.«
    »Also, dann auf ins ›Yesterday‹ am Broadway. Dort habe ich einen Tisch bestellt. Aber was machen wir denn mit diesem hübschen Kerl hier?« Sweta schaute zweifelnd auf Arseni.
    »Was für eine Frage! Ich komme mit!«
    »Du solltest dich lieber hinlegen, Arseni. Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung«, drängte ihn Lena sanft.
    »Mit der Visage lassen die Sie gar nicht rein«, bemerkte Sweta.
    »Doch von Natur aus bin ich schön« – Arseni zwinkerte mit dem geschwollenen Auge – »und begabt. Soll ich Ihnen ein paar Verse von mir vortragen?«
    »Ein anderes Mal unbedingt. Aber jetzt bringe ich Sie zu mir. Dort duschen Sie, schlucken zwei Aspirin und legen sich hin. Das Telefon ignorieren Sie einfach.«
     
    Im »Yesterday« spielte eine Gruppe bekannte Songs der Beatles. Lena und Sweta stellten plötzlich fest, daß sie einen Bärenhunger hatten. Die riesigen englischen Beefsteaks waren im Nu verschwunden, und zu Stevens Erstaunen sagten sie auch zu der Apfeltorte als Nachtisch nicht nein.
    »Ich verstehe, daß Lena jetzt für zwei essen muß. Aber Sie«, wandte er sich an Sweta, »wo essen Sie das alles hin?«
    »Ich staune selber!« Sweta lachte und nahm zur Torte einen großen Schluck starken Tee.
    »Nun mal ehrlich, was ist denn wirklich mit eurem Arseni passiert?«
    »Er hat sich zuerst mit heißem Wasser verbrüht und ist dann auch noch die Treppe hinuntergestürzt«, erklärte Lena.
    »Vor kurzem war er doch erst von einer Leiter gefallen und hatte sich das Bein
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