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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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schüttelte, und ihre Kleidung passte stets perfekt zusammen, braune Schuhe zur braunen Hose, schwarze Schuhe zur schwarzen. Sweeney wurde das Gefühl nicht los, dass Harriet sie nicht mochte.
    »Es ist ja zum Glück auch nicht nötig.« Sweeney war schon im Begriff zu gehen, als sie sich wieder an die Akte erinnerte. »Eine Frage noch, Tad, wofür sind eigentlich die ganzen alten Dokumente hier im Ordner?« Sweeney zeigte ihm die Schriftstücke, Bestandslisten, Versandaufkleber und Verzeichnisse.
    »Vermutlich hat sich jemand darum bemüht, die Herkunft des Stücks zu recherchieren«, antwortete er.
    »An so etwas hatte ich auch gedacht. Wird jedes Stück aus der Sammlung auf dieselbe Art dokumentiert?«
    »Nicht immer«, begann Tad vage.
    Aber in diesem Moment platzte Harriet mit einer Erklärung heraus, begierig darauf, mit ihrem Fachwissen glänzen zu können. »Du hast vielleicht davon gehört, dass sämtliche Museen vor einiger Zeit ihre Sammlungen nach Nazi-Kunst durchsuchen
mussten. Wir haben sehr viele Stücke aus dem Altertum. Im Jahre 1970 wurde eine UNESCO-Vereinbarung ins Leben gerufen, die es verbot, Kunstwerke aus ihren Ursprungsländern auszuführen, und 1983 wurde ein ähnliches Gesetz hier in den Staaten verabschiedet. In Ägypten war das Problem besonders gravierend, denn dort konnte man Antiquitäten praktisch auf der Straße kaufen. Das UNESCO-Abkommen schrieb vor, dass für jedes erhaltene oder gekaufte Kunstwerk ein Beleg existieren müsse, der bewies, dass es Teil einer legitimen Sammlung war, die vor 1970 angelegt worden war. Dieses Exponat wurde dem Museum vermutlich gestiftet, und irgendjemand hat überprüft, ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist.«
    Tad wandte sich zum Gehen. »Ich gebe dir Bescheid, wenn ich weiß, wann man es zu dir hochbringen wird.«
    »Danke. Weißt du zufällig, warum es nicht bei den Ausstellungsstücken ist? Immerhin ist es außergewöhnlich schön. Vielleicht hat Willem es aus einem bestimmten Grund nicht ausgewählt.«
    »Davon weiß ich nichts«, antwortete Tad. »Wir haben hier sehr viele schöne Stücke, die wir nicht ausstellen können. Warum auch immer.«
    Er hatte Recht, sagte sich Sweeney, während sie draußen von der feuchten Nachmittagsluft empfangen wurde. Sie musste sich mit dieser Antwort zufriedengeben.

2
    Es war schon fast sieben, als Sweeney in ihr Apartment in der Russell Street zurückkam. Als sie an dem kürzlich renovierten dreistöckigen Nachbarhaus vorbeiging, hielt sie für einen Moment inne und dachte mit Wehmut daran, wie es vor dem Umbau ausgesehen hatte. Bevor ein reiches junges Paar mit zwei Kindern das alte viktorianische Bauwerk gekauft und in ein Haus wie aus dem Katalog verwandelt hatte, war das verwitterte Gebäude von einem russischen Paar bewohnt worden, das Sweeney an Weihnachten stets ein paar Flaschen hausgemachten Weines vorbeigebracht hatte; außerdem hatte dort ein bulgarischer Dichter gelebt, der ungefähr alle drei Monate mit ihr ausgehen wollte, als ob er inzwischen vergessen hätte, dass sie bereits beim letzten Mal dankend abgelehnt hatte; und eine bunte Mischung an Studenten, die Sweeney nur aus der Entfernung beobachtete. Sie sah die verschiedenen Liebschaften im Haus ein- und ausgehen oder Autos mit auswärtigen Nummernschildern vor dem Gebäude parken, wenn Eltern und Großeltern zu den Abschlussfeiern anreisten. Stets nickten sie ihr freundlich zu, wenn sie sich auf der Straße oder im Bus begegneten.
    Es war nicht so, dass die neuen Bewohner nicht freundlich gewesen wären. Sweeney hatte vor ein paar Wochen eine sehr nette Unterhaltung mit dem Paar geführt. Die Frau hatte sogar versprochen, Sweeney und Ian demnächst zum Essen zu ihnen einzuladen. Aber Sweeney hatte sich nicht weiter darum
bemüht, den Kontakt zu pflegen, da sie nicht vorhatte, noch lange in der Russell Street wohnen zu bleiben. Ihr Vermieter wollte das Haus verkaufen. Im letzten Winter hatte sie einige Gemälde ihres Vaters veräußert, wodurch sie nun wesentlich mehr Geld besaß, als sie jemals erwartet hatte. Eine Zeitlang hatte sie mit dem Gedanken gespielt, das schäbige Haus selbst zu erwerben, aber im Grunde war es zu groß für sie, außerdem wollte sie nicht unter die Vermieter gehen. Der Hausbesitzer hoffte, es bis zum Jahresende verkauft zu haben, aber noch ließ sie den Gedanken nicht zu nahe an sich heran.
    Auch Ian hatte sie noch nichts davon erzählt. Als er in Boston angekommen war, hatte er zunächst für ein paar
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