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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Wochen im Hotel gelebt, war dann aber bald zu Sweeney in das Apartment gezogen. Die ganze Geschichte hatte sie zum Schmunzeln gebracht: der kultivierte Engländer Ian, der in ihrer schäbigen Wohnung mit den schlecht isolierten Leitungen und den quietschenden Dielen lebte. Er betonte immer wieder, dass ihm das überhaupt nichts ausmachte. Aber schon nach ein oder zwei Monaten ließ er die ersten Bemerkungen über die Enge der Behausung fallen und begann darauf zu drängen, dass sie sich nach etwas Größerem umsehen sollten. Sweeney war nie auf das Thema eingegangen, sondern hatte stets abgelenkt und versucht, einfach so weiterzumachen wie bisher. Dabei hatte sie auch erfolgreich ausgeblendet, dass Ian zunächst nur für ein halbes Jahr in Boston bleiben wollte und nun bereits acht Monate hier war. Alle vier Wochen flog er für ein paar Tage nach Paris, um seine Tochter zu sehen, aber Sweeney wusste, dass er nur ungern so weit reiste.
    Während sie die Stufen zu ihrem Apartment hinaufstieg, überkam sie Vorfreude bei dem Gedanken, dass sie von Ian erwartet werden würde. Beim Öffnen der Tür strömte ihr ein angenehmer Duft aus der Küche entgegen. Ihr Freund - das Wort erschien ihr immer noch zu groß - zündete gerade eine Kerze auf dem bereits gedeckten Esstisch an.

    »Hallo«, begrüßte er sie. »Die Steaks sind fast fertig.«
    »Steaks? Mmmmh.« Sie brachte ihre Tasche ins Arbeitszimmer, machte einen Zwischenstopp im Bad, wo sie ihr Gesicht mit kaltem Wasser erfrischte, und kam dann in die Küche. Ian streckte gerade seinen Kopf aus dem Fenster, um die Steaks auf Sweeneys Grill auf der Feuertreppe zu begutachten. Sie roch den Duft von Gebratenem, dazu ein scharfes und salziges Aroma, vermutlich seine berühmte Teriyaki-Ingwer-Marinade. Er machte einen Schritt zurück ins Zimmer, und sie umarmte ihn von hinten. »Daran könnte ich mich gewöhnen.«
    Im selben Moment wünschte sie, die Worte nicht ausgesprochen zu haben. Obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte, fiel ihr sofort sein amüsierter Tonfall auf, als er sagte: »Das ist genau der Punkt.«
    Sie ließ ihn los und machte sich auf die Suche nach zwei Weingläsern, die sie mit Rotwein füllte. »Ist der General in der Wohnung?«
    Ian nahm sein Glas. »Er hat sich kurz blicken lassen, weil er die Steaks gerochen hat. Aber als sein Betteln keine Wirkung zeigte, hat er sich wieder auf seine nächtlichen Observationen begeben.«
    »Seine nächtlichen Observationen?«
    »Dieses Tier hat etwas an sich, das mich dazu bringt, derartige Wörter zu verwenden.«
    Sweeney lächelte. Ian war mit Hunden aufgewachsen und hatte für Katzen dementsprechend wenig übrig, aber mit dem General bewies er große Nachsicht. Und das, obwohl der Kater sich wirklich sehr unanständig verhalten hatte, nachdem Ian eingezogen war. Zum Beispiel hatte er sich seine Socken geschnappt, sie ins Badezimmer getragen und unter die laufende Dusche gehalten. Und in Ians perfekt polierten Schuhen hatte er die Eingeweide von Mäusen platziert. Sweeney hatte versucht, ihren Freund davon zu überzeugen, dass der Kater mit den Mäuseinnereien nur demonstrieren wollte, was für ein
toller Jäger er war, aber sie wusste genauso gut wie er, dass sie in Wahrheit eine Kriegserklärung an Ian waren.
    »Hattest du einen schönen Tag?«, fragte er, während sie die Steaks aßen.
    Sie schluckte einen Bissen hinunter. »Auf jeden Fall einen ergiebigen. Ich habe die Positionen für fast alle Post-mortem-Fotografien festgelegt. Und der Katalog sieht toll aus. Letzten Endes fügt sich wohl doch alles ineinander.« Genussvoll spülte sie mit einem Schluck Rotwein nach. »Oh, übrigens, kannst du mir etwas über das UNESCO-Abkommen erzählen? Es sollte verhindern, dass ägyptische Altertumskunst aus dem Land geschafft wurde.«
    »Nicht nur ägyptische. Du meinst die 1970 ins Leben gerufene UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Ein ganz schöner Bandwurmtitel, ich weiß, aber im Grunde geht es darum, dass die Mitgliedsländer illegal erworbene Kunstwerke von ihren heutigen Besitzern zurückfordern können, sofern sie Beweise haben, dass die Stücke gestohlen wurden. Damals herrschten schlimme Zustände, wertvolle Vasen und andere Antiquitäten wurden einfach in Koffern ins Ausland geschafft. Schließlich erkannte man, dass dringend eingeschritten werden musste, sonst hätte Ägypten sein gesamtes kulturelles Erbe
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