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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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viele Kontakte zu den Universitäten in meiner Heimat. Und du übrigens auch. Es wäre kein Problem für dich, ein paar Tage die Woche nach Oxford zu pendeln. Außerdem gibt es in London auch Universitäten. Mein Haus ist riesig. Du könntest dir ein Büro einrichten. Ich weiß nicht, wie es genau abläuft, wenn man ein Tier ins Ausland bringt. Wahrscheinlich ist eine Quarantänezeit vorgeschrieben, aber falls es möglich ist, kann der General gerne mitkommen.«
    Sie griff hastig nach ihrem Weinglas und verschluckte sich, sodass der Wein auf ihre Bluse spritzte. Während sie mit einer Serviette die Flecken abtupfte, stammelte sie: »Ich … ich weiß nicht. Ich möchte nicht, dass du zurückgehst. Ich habe mich hier gerade erst eingelebt. Ich weiß nicht, ob ich...«
    »Liegt es an London?«
    Sie atmete tief durch und überlegte. Lag es an London? Ian wusste, dass sie nicht mehr dort gewesen war, seit ihr Verlobter vor drei Jahren bei einem terroristischen Bombenanschlag ums Leben gekommen war. Sie blieb stumm.
    »Also liegt es an mir.«
    »Aber nein. Es ist nur... eine große Entscheidung. Ich weiß nicht, ob ich einfach so mir nichts, dir nichts …« Während sie die Worte aussprach, spürte sie bereits das Gewicht der Dinge, die sie würde bewegen müssen: ihr geliebtes Secondhand-Sofa, die gerahmten Fotos der Grabsteine, den ledernen Klubsessel aus dem Besitz ihres Vaters, den ihre Tante Anna ihr vermacht hatte. Und sie fühlte das Gewicht der Dinge, die sie würde zurücklassen müssen: ihren besten Freund Toby, die Universität, ihre Lieblingsbäckerei, den Pub, ihren Stammchinesen. Hier war ihr Zuhause.

    »Sweeney, ich weiß, dass es eine große Entscheidung ist, aber wir haben, ehrlich gesagt, keine Alternativen. Zumindest nicht, wenn wir zusammenbleiben wollen …?« Auf diese Frage wusste sie keine Antwort.
    »Ich weiß. Es tut mir leid.« Sie nahm einen großen Schluck Wein und begann sich etwas besser zu fühlen. Noch hatte sie Zeit. Er zwang sie nicht sofort zu einer Entscheidung, oder? Sie streckte ihre Hände aus und ergriff die seinen. »Natürlich wollen wir zusammenbleiben. Sicher doch.« Ihr war sehr wohl bewusst, dass er nicht »ich« gesagt hatte. »Das weißt du.«
    Etwas in seinem Gesicht wirkte traurig und ängstlich, als er ihre Hände losließ. »Denk einfach mal darüber nach, okay? Mehr verlange ich gar nicht.«

3
    Willem Keane schenkte zwei Gläser Bourbon aus der Flasche auf dem Schreibtisch ein und reichte eines davon seinem Gegenüber. »Auf den Kanopenkrug«, sagte er, während er sein Glas erhob. Dabei versuchte er nach Kräften, ein schelmisches Grinsen zu unterdrücken. Cyrus Hutchinson war ein ernster, strenger Mann, aber im Moment war er sehr stolz auf sein Geschenk. Willem musste also einen Mittelweg finden zwischen seiner Aufgekratztheit und professioneller Distanziertheit.
    »Auf den Kanopenkrug«, wiederholte Hutchinson mit einer eleganten Geste, die Willems Handbewegung spiegelte. Beide nahmen einen großen Schluck und betrachteten sich gegenseitig mit offensichtlichem Respekt und verhohlenem Argwohn.
    »Wirklich, Hutch, das Museum weiß Ihr großzügiges Geschenk sehr zu schätzen. Ich hoffe, Ihnen ist klar, welch große Gunst Sie Generationen von Studenten und Professoren damit erweisen. Es ist ein außergewöhnliches Stück. In der Tat.« Willem wandte sich dem Krug zu, der auf einem Tisch in der Ecke des Büros stand. Im schwachen, grünlichen Licht der Schreibtischlampe leuchtete der satte Alabaster wie weißlicher Sprühnebel. Der Krug aus der Zeit des Neuen Reiches war rechteckig und etwa so groß wie ein kleiner Koffer. Er teilte sich in vier Fächer, die einst die inneren Organe eines jungen ägyptischen Königs enthalten hatten. Die Deckel der Kammern, die für Leber, Lunge, Magen und Eingeweide vorgesehen waren, waren
ebenfalls aus Alabaster und reich verziert. Sie zeigten die Köpfe der vier ägyptischen Götter Imset, Hapi, Duamutef und Qebehsenuef, außerdem einen Menschen, einen Pavian, einen Schakal und einen Falken. Verschiedene Gefühle wallten urplötzlich in Willem auf, sein Blut raste durch die Adern, und er musste sich dazu zwingen, ruhig zu bleiben. Es überraschte ihn immer wieder, dass er sich angesichts eines Neuzugangs so aufregte.
    »Nun, es ist mir eine Ehre«, erwiderte Hutchinson, wobei er den Kopf hin und her wog und sein langes, schlaffes Gesicht mit den weißen Augenbrauen einen leicht sorgenvollen Ausdruck annahm. »Bis wann können Sie
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