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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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als sie laute Stimmen in der Kellergalerie vernahm. Obwohl es gegen die Sicherheitsvorschriften verstieß, hatte sie die Tür zu ihrem Studierzimmer einen Spalt offen gehalten, um frische Luft hereinzulassen. Sie konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber sie vermutete, dass die Sprechenden die Schaukästen mit den ägyptischen Antiquitäten betrachteten; die beiden Sarkophage von Willem, die ausgestellten Statuen und die restlichen Stücke aus der Sammlung.
    Sie wandte sich wieder dem Kollier zu, glücklich darüber, dass Willem ihr den Zugang zu diesem Stück gestattet hatte, ohne vorher selbst einen Blick auf die Sammlung zu werfen. Das Schicksal hatte es wirklich sehr gut mit ihr gemeint. Vergiss das nicht, Karen. Vergiss nie, wie viel Glück du hast.
    Willems Empfehlung würde sich auf ihrer Bewerbung für das Aufbaustudium großartig machen, und die praktische Erfahrung
mit den Schmuckstücken käme ihr zugute, falls sie jemals eine Kuratorin werden würde. Sobald , korrigierte sie sich, weil sie sich plötzlich daran erinnerte, was die Sprecherin der Frauengruppe beim letzten Meeting auf dem Campus über das Untergraben der eigenen Fähigkeiten gesagt hatte. Sobald sie eine Kuratorin werden würde.
    Sie durchsuchte die Papiere in der Aktenmappe nach einem Dokument über das Perlenkollier. Den Unterlagen nach war das Schmuckstück im Jahr 1930 im Tal der Könige gefunden worden, und zwar bei einer Grabung, die ein britischer Sammler namens Harold Markham gesponsert hatte. Die Markham-Sammlung war allgemein bekannt, und viele Stücke daraus befanden sich mittlerweile an Orten wie dem Metropolitan Museum oder dem British Museum. In Anbetracht dieser Referenzen schien es keinen Grund zu geben, an den Angaben in der Akte zu zweifeln.
    Aber sie wurde trotzdem das Gefühl nicht los, dass das Kollier nicht aus der achtzehnten Dynastie stammte. Jedenfalls war es erstaunlich gut erhalten, und die Vorstellung, es sei dreitausend Jahre alt, fiel dementsprechend schwer. Genau das mochte sie an der Ägyptologie so sehr: die Lebendigkeit der Kunstwerke, die nach so vielen Jahren immer noch aktuell und modern wirkten. Wie großartig musste es sich angefühlt haben, unter den ersten Archäologen zu sein, die den Eingang zu einem Königsgrab entdeckten. Sie stellte sich vor, wie jene Männer während der Ausgrabungen in der glühenden Hitze plötzlich auf einen Treppenabgang gestoßen waren. Sie hatte Howard Carters Entdeckung der Grabstätte des Tutanchamun so oft in Gedanken nachgespielt, dass es ihr beinahe so vorkam, als sei sie selbst dabei gewesen.
    Seit sie vor vier Jahren mit ihrer Schulklasse die Tutanchamun-Ausstellung im Metropolitan Museum in New York besucht hatte, wusste sie, dass Ägyptologie genau das war, was sie studieren wollte. Von da an beschäftigte sie sich mit Ägypten.
Sie hatte sich Informationen über die eigenwilligen Bräuche bei den Bestattungen und über den Kult um das Leben nach dem Tod besorgt, von dem die Ägypter so besessen gewesen waren. Voller Begeisterung hatte sie die Namen der Götter und Göttinnen rezitiert, die in ihren Ohren so fremd klangen, und die Hieroglyphen studiert, den Code zur Entschlüsselung der Geheimnisse aus jener alten Welt. Sie hatte sich erkundigt, welche Schulen und Universitäten sich für das Studium der Ägyptologie am besten eigneten, und sich schließlich für Cambridge entschieden. Seitdem war alles in ihrem Leben auf dieses Ziel gerichtet gewesen. Sie lernte eifrig und bekam nur gute Noten, denn sie wusste, dass sie so ihren Traum verwirklichen konnte.
    Nachdem sie an die Universität gekommen war, setzte sie alles daran, ihr nächstes Ziel zu verwirklichen: eine Reise nach Ägypten. Im Sommer vor ihrem Abschlussjahr war es endlich so weit. Sie nahm für drei Monate an einer Ausgrabung in Gizeh teil, gemeinsam mit einer Gruppe aus dem Hapner Museum, die aus Willem Keane, ein paar weiteren Fakultätsmitgliedern sowie einigen Studenten im Aufbaustudium bestand.
    Natürlich waren ihre Illusionen enttäuscht worden. Es hätte gar nicht anders kommen können, wenn man die Situation vor Ort bedachte. In Ägypten war es schrecklich heiß, die Städte waren schmutzig und ihre Bewohner bettelarm. An den Ausgrabungsstätten bestand die eintönige Arbeit darin, sich durch Unmengen von Sand zu wühlen. Zu diesem Zeitpunkt wusste Karen bereits genug über Archäologie, um mit Sicherheit sagen zu können, dass sie Historikerin werden wollte, und nicht
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