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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Versandaufkleber, Listen und Empfangsbescheinigungen, und beim Durchblättern der Belege vermutete Sweeney, dass die Papiere die Herkunft der Kette und ihre verschiedenen Eigentümer dokumentierten. Für die meisten Stücke, die dem Museum gestiftet worden waren, existierten ähnliche Papiere, um nachzuweisen, dass der Schenkende der tatsächliche Eigentümer des Objektes war. Aus den Unterlagen entnahm sie, dass ein gewisser Arthur Maloof das Kollier im Jahre 1979 dem Museum vermacht hatte. So, so. Die Galerie im Erdgeschoss war erst vor kurzem zur »Maloof Galerie« umbenannt worden. Außerdem erinnerte sie sich, dass Arthur Maloof jene goldene Grabmaske gestiftet hatte, die man getrost als Kronjuwel von Willems Sammlung bezeichnen konnte.
    Sie betrachtete das Foto von neuem. Warum war das Kollier nicht unter den Ausstellungsstücken? Es gehörte zu den
kostbarsten Antiquitäten jenes Zeitalters, fast genauso atemberaubend schön wie einige der Ketten, die man im Grab von Tutanchamon gefunden hatte. Seine Perlenkunst repräsentierte allerdings einen anderen Stil, der noch filigraner und detailgetreuer war. Sie beschloss, sich bei Willem zu erkundigen, ob er das Kollier vielleicht aus dem Aufbewahrungsraum genommen hatte.
    Nachdem Sweeneys Entscheidung zugunsten dieses Stückes gefallen war, ging sie zurück zur Galerie im zweiten Stock. Als Nächstes musste sie sich um die Platzierung der zwanzig Post-mortem-Fotografien für die Ausstellung kümmern. Jene eindrucksvollen Bilder von Toten, die für die Viktorianer so wichtig gewesen waren, hatten es ihr schon seit jeher angetan. Da sie unbedingt in ihre Ausstellung mit aufgenommen werden sollten, hatte sie sich die Unterstützung von Fred Kauffman, dem Kurator für Fotografie des Hapner Museums, gesichert. Alle ausgewählten Stücke zeigten die Verblichenen, die meisten in ihren besten Kleidungsstücken; sie lagen in ihren Särgen oder saßen aufrecht auf Stühlen. Sweeney war immer schon fasziniert gewesen von jenen seltsam bewegenden Totenfotografien, die im neunzehnten Jahrhundert so beliebt gewesen waren. Für viele Viktorianer war das Post-mortem-Porträt das einzige, für das sie jemals Modell sitzen würden. Ihre Familien gaben Unsummen dafür aus, ein letztes Bild ihres geliebten Verwandten zu bekommen.
    Sie war gerade dabei, die gerahmten Fotografien, Daguerreotypien und Ferrotypien durchzusehen, die alle an einer Wand gestapelt waren, als Fred die Galerie betrat.
    »Guten Morgen, Sweeney. Wie kommst du voran?«
    »Sehr gut, danke.« Er blickte über ihre Schulter auf einen Satz Daguerreotypien, die ein junges Mädchen zeigten. Sie trug eine Art Taufkleid und saß aufrecht in einem extravaganten Ohrensessel. Ein ungeschultes Auge hätte sie womöglich für eine blasse, aber lebendige Sechsjährige gehalten, die für die
Kamera posierte. Aber der unbewegte, bohrende Blick brachte Klarheit. Sweeney überkam eine leichte Gänsehaut, wie jedes Mal, wenn sie Post-mortem-Fotografien von Kindern betrachtete. Davon existierten etliche. Viele Kinder waren damals Epidemien zum Opfer gefallen. Stets musste sie an die Eltern denken, denen nichts geblieben war außer einem Bild ihres geliebten Kindes, das niemals erwachsen werden würde.
    Der Auswahlprozess der Fotografien, die Teil der Ausstellung werden sollten, war ein Geben und Nehmen zwischen Freds Interessen und ihren eigenen. Sie hatte versucht, seine Meinung und Fachkenntnis mit einzubeziehen. Aber zwischendurch erinnerte sie sich immer wieder an ein Zeugnis aus der dritten Klasse, in dem ihr der Lehrer bescheinigt hatte: »Sweeney hat Schwierigkeiten, sich in ein Team einzufügen. Sie arbeitet lieber allein und teilt Lob und Verantwortung nur ungern.«
    Da sie große Stücke auf ihn hielt, versuchte sie dieses Mal kooperativer zu sein, und sie war sehr stolz auf die Früchte ihrer Anstrengungen. Fred war ein kleiner, rundlicher Mann mit lockigen grauen Haaren, der sich leidenschaftlich für Fotografie interessierte. Er trug eine unvorteilhafte, große Brille, die Sweeney an das Teleobjektiv einer Kamera denken ließ. Obwohl er seinen Doktor, wie sie wusste, bereits Ende der Siebziger gemacht hatte und seit gut zwanzig Jahren ihr Vorgesetzter war, hatte er Sweeney immer gleichberechtigt behandelt. In den letzten Monaten hatten sie sich besser kennen gelernt, Ian und sie waren sogar gemeinsam mit Fred und seiner Frau Lacey zum Essen ausgegangen.
    Fred äußerte gerade seine Meinung dazu, wo die besonders
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