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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs
Autoren: Richard Dübell
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D ie drei Piratenschiffe, die an der Küste Palästinas entlangsegelten, hatten leichtes Spiel mit dem Schiff der Kreuzritter. Es lag schwer im Wasser – Pferde, Waffen, Ausrüstung, alles musste mitgeführt werden. Denn die Kreuzritter reisten in geheimem Auftrag und waren ganz auf sich allein gestellt. Das Seemanöver sah so aus, als würden drei Haie eine ermüdete Schildkröte angreifen.
    Der Wind blähte das große rechteckige Segel des Kreuzritterschiffs, aber das half nicht viel. Der Bug tauchte tief ins Wasser ein, weil das Schiff ungeschickt beladen worden war. Wenn es sich zur Seite neigte, brauchte es viel zu lang, um sich wieder aufzurichten. Die Wellen brandeten gegen seinen Rumpf und schienen es noch zusätzlich zu verlangsamen.
    Die Piratenschiffe hingegen flogen elegant über die Wellen. Die dreieckigen Lateinersegel aus gelbem und rotem Tuch leuchteten wie Flammen vor dem stahlblauen Himmel. Unerbittlich näherten sie sich den Kreuzfahrern.
    Die Ritter machten sich zum Kampf bereit, unsicher, wie sie vorgehen sollten. Wohl waren sie geübt im Kampf Reiter gegen Reiter, Reiter gegen Fußsoldat und Mann gegen Mann zu Fuß. Aber wie sollten sie dem Feind standhalten ohne festen Boden unter den Füßen, an Deck eines Schiffs, das schwankte und sich neigte? Wie sollten sie sich verteidigen, wo sie doch jeden Augenblick über Bord zu gehen drohten? Einmal im Wasser, würden Kettenhemd und Waffen im Gürtel sie unweigerlich auf den Meeresgrund hinabziehen. Sie hatten keine Chance.
    Die Männer hielten nervös nach den gelb-roten Angreifern Ausschau. Kämpfe auf dem Meer haben eine lange Vorbereitungszeit: Von der Entdeckung des Feindes bis zum Zusammenstoß können Tage vergehen. Zeit genug, um den Glauben an sich selbst zu verlieren.
    Jetzt waren die Piratenschiffe ganz nahe. Sie manövrierten so, als hätten sie einen gemeinsamen Befehlshaber. Das war mehr als ungewöhnlich. In der Regel handelte jeder Piratenkapitän auf eigene Rechnung. Dabei geschah es nicht selten, dass die Räuber übereinander herfielen, sobald sie ihr Opfer zur Strecke gebracht hatten. Hier jedoch schien ein einziger Wille die Schiffe zu lenken.
    Das erste Piratenschiff überholte in kurzer Distanz, ohne die Geschwindigkeit zu verringern. Ein Pfeilhagel regnete auf das Deck des Kreuzfahrerschiffs herab und traf die Männer. Reling, Aufbauten und Masten boten kaum Deckung. Der Angreifer glitt mit knatterndem Segel vorbei – Gischt sprühend, ein hölzerner Raubvogel, ein todbringender Schatten vor der gleißenden Sonne. Die unverletzten Kreuzritter schossen zurück, was ihre Bögen und Armbrüste hergaben. Obwohl sie dann und wann einen Piraten trafen, konnten sie gegen die Übermacht nichts ausrichten. Ihr Schiff begann zu treiben. Das Steuerruder war nun unbemannt, der Steuermann lag tot daneben. Die Piraten hatten gut gezielt und genau gewusst, auf wen sie schießen mussten. Das Kreuzfahrerschiff drehte sich schwerfällig aus dem Wind, das Segel erschlaffte. Das zweite Piratenschiff rauschte auf der anderen Seite vorbei, noch ein Pfeilhagel, Schreie,
Keuchen. Mittlerweile lagen die meisten Männer regungslos auf den Planken, nur wenige leisteten noch tapfer Gegenwehr. Das dritte Angreiferschiff holte auf, während die anderen beiden, bereits mehrere Schiffslängen voraus, zu wenden begannen.
    »Gott steh uns bei!«, flüsterte der Anführer der Kreuzritter. Er sprach angelsächsisch.
    Das dritte Piratenschiff hatte die Kreuzfahrer erreicht. Enterhaken flogen herüber. Der Tod hielt reiche Ernte.

ERSTER TEIL
    DIE HERRIN VON KYME
SPÄTSOMMER 1189

1
    D ie Knöchelchen, mit denen die Alte die Zukunft voraussagte, hüpften über die Tischplatte und bildeten ein verwirrendes Muster. Als die Wahrsagerin sie mit einer hastigen Bewegung zurück in den Beutel strich, war Edith sofort klar, dass das Orakel nichts Gutes zu bedeuten hatte.
    Das Feuer in der Hütte der Alten verbreitete eine unerträgliche Backofenhitze, doch im Innern war Edith eiskalt. Heiliger Andreas! , dachte sie. Wär ich doch bloß nicht hergekommen! Dieses verfluchte Heidenzeug … Nun hatte sie auch noch Gott und alle Heiligen gegen sich aufgebracht. Am liebsten wäre sie nach draußen geflohen.
    Die Schilfhütte war eng und stickig. Ihr Dach reichte beinahe bis zum Boden hinab, die Mauern bestanden aus unverputzten Feldsteinen. Lücken und Ritzen waren zur Dämmung mit Moos ausgestopft und mit Lehm verschmiert worden. Wer hereinwollte, musste sich bücken, so
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