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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb
Autoren: Patrícia Melo
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Guten müssen am Ende immer dran glauben.
    Jetzt sitzt mir keiner mehr im Nacken, dachte ich, während ich zurück nach Corumbá fuhr. Frei, Over.
38
    Die Totenwache war ein Großereignis.
    Der Sarg war verschlossen, und das Blumenmeer war so immens, dass man bereits vor der Kirche den süßlichen Blütenduft riechen konnte.
    Die gesamte Stadt war gekommen. Die meisten Leute hatten keinerlei Beziehung zu der der Familie, waren Neugierige, die im Fernsehen die Nachrichten verfolgt hatten und die zu ihrem Vergnügen dort waren. Es gab Ehrungen, und es wurde geweint.
    Dona Lu nahm die Beileidsbekundungen entgegen, und ich konnte hinter der Trauer und der Beherrschung in ihrem Gesichtsausdruck einen gewissen Frieden erkennen.
    Sulamita und ich gingen auch zur Beisetzung am darauffolgenden Vormittag.
    Es war ein sonniger Tag.
    Mir entging nicht, dass der Totengräber, der Júnior beisetzte, derselbe war, der uns die Leiche verkauft hatte.
    Am Ende der Zeremonie sprachen wir Dona Lu und Seu José unser Beileid aus.
    Vielen Dank, sagten sie.
    Hand in Hand schlenderten wir durch die Alleen des Friedhofs und spürten die Sonne, die heiß auf unsere dunkle Trauerkleidung schien.
39
    Als ich am nächsten Morgen zur Arbeit kam, war Dona Lu in T-Shirt und Jogginghose im Garten beschäftigt. Ich werde Azaleen pflanzen, sagte sie.
    In der Küche bot Dalva mir nicht wie sonst Kaffee an. Als ich sie um eine Tasse bat, deutete sie auf die Thermoskanne und sagte, gieß dir selber welchen ein, ich habe zu tun.
    Irgendwas nicht in Ordnung?, fragte ich.
    Sie lächelte so merkwürdig, leicht ironisch, und sagte, José Beraba erwarte mich in seinem Büro.
    Ich fand ihn hinter seinem Schreibtisch bei der Arbeit. Er wünschte mir weder guten Morgen, noch schaute er hoch, um mit mir zu sprechen.
    Hier ist Ihre Kündigung, sagte er, Sie müssen die Papiere nur noch unterschreiben. Von heute an sind Sie nicht mehr mein Angestellter.
    Mir lag eine Frage auf der Zunge, aber er schnitt mir das Wort ab: Hören Sie gut zu, was ich Ihnen sage. Sie gehen jetzt hinaus, rufen Dona Lu und erklären ihr, dass Sie um Ihre Kündigung gebeten haben. Sie werden ihr sagen, dass Sie ab heute nicht mehr hier arbeiten können, dass Sie heiraten werden, dass Sie Krebs haben, oder denken Sie sich sonst irgendeine Lüge aus.
    Wie gelähmt blickte ich auf den Scheck und die Kündigung.
    Unterschreiben Sie hier, verlangte er.
    Während ich die Quittungen unterschrieb, sprach José Beraba weiter. Ich brachte es nicht fertig, ihm ins Gesicht zu sehen.
    Wenn meine Frau nicht wäre, sagte er, meine geliebte Frau, wenn es nicht um ihre Gesundheit ginge, das schwöre ich Ihnen, dann wäre das alles hier ganz anders ausgegangen. Dann hätte ich Ihnen höchstpersönlich eine Kugel in Ihre zynische Visage gejagt.
    Ich reichte ihm die Papiere.
    Und jetzt verschwinde aus meinem Haus, du Wurm. Das nämlich bist du. Ein Wurm.
    Er wartete nicht ab, bis ich gegangen war, sondern ließ mich dort stehen. Das Echo seiner Stiefel auf dem Parkett hallte mir in den Ohren.

Epilog
Ein Jahr später

Der Kuh ging es anscheinend nicht gut, ich machte mir Sorgen. Dona Lu hatte sie uns zur Hochzeit geschenkt, es war eine Zuchtkuh, und ich wollte kein Risiko eingehen.
    Hol ein Seil, sagte ich zu meinem Schwiegervater.
    Regina, die mit Serafina in den Stall gekommen war, um bei der Geburt dabei zu sein, schrie aufgeregt. Bring sie hier weg, sagte ich zu Serafina, wir wollen die Kuh nicht noch mehr in Unruhe versetzen.
    Mein Schwiegervater kam mit dem Seil, und wir schnürten dem Kalb die Vorderläufe, die schon halb aus dem Mutterleib ragten, zusammen. Vorsichtig zog ich daran, und nach und nach glitt das Kalb mit der Plazenta heraus.
    Es ist ein Kuhkälbchen, sagte ich.
    Nach dem Mittagessen fuhr ich mit einer Einkaufsliste, die Sulamita mir mitgegeben hatte, in die Stadt.
    Im Supermarkt begegnete ich Eliana.
    Lange nicht gesehen, sagte sie. Eliana war schwanger und mit Alceu verheiratet.
    Ich fragte sie nach den Kindern.
    Es geht ihnen gut. Ich habe zu Hause einen Brief für dich. Er ist schon vor längerer Zeit angekommen, aber ich wusste nicht, wie ich dich finden sollte.
    Ich fuhr sie und Alceu nach Hause, und dort übergab sie mir den Umschlag.
    Als ich ihn öffnete, erblickte ich ein Foto von Rita am Strand im Bikini mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm beim Eisessen.
    Wenn du deine Tochter kennenlernen möchtest, wir sind hier. Rio ist eine wunderbare Stadt, kein Vergleich mit dem
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