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Die letzte Chance - Final Jeopardy

Titel: Die letzte Chance - Final Jeopardy
Autoren: Linda Fairstein
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    E s war fünf Uhr morgens. Ich saß auf meinem Wohnzimmersofa, das aktuelle Exemplar der New Yorker Post in der Hand, und starrte auf meinen eigenen Nachruf auf der ersten Seite. Die Schlagzeile war schon ein paar Stunden alt, die Polizei ging noch davon aus, mein Kopf wäre auf einer stillen Landstraße in der Nähe von Chilmark in Massachusetts von einem Gewehrschuß zerfetzt worden.
    »SEX-STAATSANWÄLTIN ERMORDET - FBI UND STAATSPOLIZEI GEMEINSAM AUF SUCHE NACH DEM MÖRDER«
    Mir gegenüber saß Mike Chapman und widmete sich seinem zweiten Eiersandwich und einem Becher lauwarmen Kaffees. Er hatte beides mit der Zeitung mitgebracht. Er war ein alter Hase im Morddezernat, nicht mal die Details der Mordszene verdarben ihm den Appetit: Einschußlöcher, Blutspritzer und Leichensack. »Wie gut, daß du der Post in all den Jahren so viele Storys geliefert hast. Es ist ein sehr schmeichelhafter Nachruf...« Er hielt mit dem Kauen gerade so lange inne, um sein vertrautes Grinsen aufzusetzen, dann fügte er hinzu: »Und ein großartiges Bild von dir-sieht aus, als hätten sie die meisten Fältchen wegretuschiert. Dein Telefon wird nicht mehr stillstehen, wenn all die einsamen Kerle in dieser Stadt mitbekommen haben, daß du noch immer am Leben bist - vielleicht landest du ja einen Glückstreffer.«
    Meist gelang es Mike, jede Situation zu entschärfen und mich zum Lachen zu bringen. Ich hatte nun aber schon so viele Stunden mit den Tränen gekämpft, ich konnte einfach nicht mehr auf seine kleinen Sticheleien eingehen oder mich auf etwas anderes konzentrieren als auf den fürchterlichen Tag, der vor mir lag. Eine Frau war auf dem Weg, der zu meinem Landhaus führte, ermordet worden. Sie fuhr einen Leihwagen, der in meinem Namen gemietet worden war. Der Leiche der großgewachsenen, schlanken Frau in den Dreißigern fehlte das Gesicht, so daß die örtliche Polizei angenommen hatte, das Opfer sei ich.

    Wir befanden uns über zweihundert Meilen vom Schauplatz des Verbrechens entfernt, in den sicheren vier Wänden meiner Hochhauswohnung an der Upper East Side, zwanzig Stockwerke über dem Lärm der Müllwagen, die jeden Morgen vor der Dämmerung durch die Straßen von Manhattan rollen.
    Ich hatte zu viele Jahre bei Einbrüchen ermittelt, wo Vergewaltiger über Feuertreppen einstiegen oder sich mit ahnungslosen Bewohnern in die Eingangshallen drängten. Mir stand der Sinn nach einem Luxusgebäude, bei dem der Mangel an Originalität und Charme durch Portiers und eine hohe Miete wettgemacht wurden. Als ich vor zwei Jahren einzog, war meine Mutter für zwei Wochen in die Stadt gekommen, um die Wohnung für mich einzurichten. Die provenzalischen Antiquitäten und die üppig drapierten Vorhänge wollten so gar nicht zu dieser entsetzlichen Unterhaltung passen.
    »Wie hast du davon erfahren?« wollte Mike wissen, während er die Krümel von seiner Hose auf den Teppich wischte, bereit, mir nun seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Einer der Jungs in der Abteilung ist gerade dabei, vor Richter Torres ein Verfahren einzuleiten, und erwischte mich gerade noch, als ich mein Büro verlassen wollte. Sein Opfer ist ein Junkie - sie sollte für die Verhandlung präpariert werden und war so high, daß sie ihren Kopf nicht aufrecht halten konnte. Wer weiß, ob sie sich überhaupt noch an irgendeine Einzelheit bei der Vergewaltigung erinnert. Ich besorgte ihr ein Hotelzimmer für die Nacht. Wir hofften, sie vielleicht ausnüchtern zu können, bevor sie den Zeugenstand betrat. Als wir fertig waren, war es bereits halb zehn, und ich rief Joan Stafford an, um mich mit ihr zu einem späten Abendessen zu verabreden.«
    »Ich hab’ dich doch nicht nach deinem Alibi gefragt, Herrgott noch mal. Wie hast du davon erfahren?«
    »Ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren, Mike. Bring mich bitte in mein Büro, damit ich vor den anderen da bin - all diese Fragen, das steh’ ich nicht durch.«
    »Red’ doch einfach mit mir, Alex.«
    Mir die Ereignisse der letzten Stunden als Zeugin und nicht als Anklägerin zu vergegenwärtigen war eine verwirrende Erfahrung für mich. Ich bemühte mich, zu rekonstruieren, was geschehen
war, seit ich kurz vor Mitternacht meine Wohnung betreten hatte, den Anrufbeantworter abgehört und mich ausgezogen hatte.
    Erste Nachricht: »Hallo, Alex. Ich bin gerade auf dem Ventura Freeway und bringe das Baby in die Spielgruppe. Erzähl mir mehr über den Fall mit dem Therapeuten, der seine Patientin verführt hat.
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