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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb
Autoren: Patrícia Melo
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mit ihm die Totenwache und die Messe zu besprechen. Kommen Sie mit hinein, sagte sie, als ich parkte, vielleicht brauche ich Ihre Hilfe.
    Obgleich ihr Verhalten nicht darauf schließen ließ, dass sie mich im Verdacht hatten, konnte ich mich nicht beruhigen. Was hatte Joel mit seinem Gerede über Freunde andeuten wollen? Was wusste er?
    Zurück im Hause der Berabas wartete ich lediglich ab, bis Dona Lu aus dem Wagen ausgestiegen war und rief Sulamita an.
    Es ist keiner da, sagte die Telefonistin. Sie sind alle zu einer dringenden Besprechung ins Kommissariat bestellt worden.
36
    Wollt ihr wissen, was ich mit diesem Mistding machen werde? Wollt ihr es wirklich wissen?
    Ich stand am Fenster, außer mir, ein Messer in der einen und den Fußball, mit dem sie gespielt hatten, in der anderen Hand. Von der Straße herauf schauten die Jungs mich erschrocken an. Wutentbrannt stach ich an verschiedenen Stellen auf ihr Spielzeug ein und warf die schlaffe Lederhülle zurück hinunter auf den Asphalt.
    Mensch, sagte einer der kleinen Indiojungen, das war ein Profifußball. Alceu hat ihn uns gekauft.
    Es war schon nach acht, und die Knirpse hatten gerade die Scheibe von meinem Fenster zerdeppert. Meistens war ich den kleinen Guatós gegenüber geduldig. An diesem Abend jedoch lagen meine Nerven blank. Nach meinem Ausbruch war das Gejohle vorbei, nur ein trauriges Miauen war noch zu vernehmen, während ich herauszufinden versuchte, was mit Sulamita passiert war. Ich hatte über zwanzig Mal im Leichenschauhaus angerufen, aber sie war von besagter Besprechung noch immer nicht zurück. Was war da los? Weshalb hatte sie ihr Handy ausgeschaltet?
    Ich lief im Zimmer mit dem Gefühl umher, das Unglück stehe unmittelbar bevor. Die Knirpse riefen mich zum Fenster und wollten mit mir reden. Oje, sagten sie. Sagten, entschuldige bitte. Oje. Sagten, Caramba. Am Ende gab ich ihnen Geld für einen neuen Ball, aber spielt woanders damit, sagte ich.
    Kurz darauf rief Sulamita an, komm auf die Polizeiwache, verlangte sie. Es ist noch nicht mal als Angst zu bezeichnen, was ich während der Fahrt empfand. Es war eher so etwas wie ein Blackout, eine Art Kollaps, ich schwitzte, zitterte, mein Herz raste, vielleicht, so dachte ich, kriege ich einen Infarkt. Der Reporter im Radio meldete: São Paulo immer noch überschwemmt. Ich stellte mir die Leute in den Armenvierteln vor, das Wasser bis zur Taille. Auf den Avenidas treibende Möbel. Kühlschränke, Fernseher. Ja, manche werden alles verlieren. Der Reporter sagte: In Malaysia sind drei muslimische Frauen wegen Ehebruchs ausgepeitscht worden. Ich sah vor mir die Striemen auf ihrer Haut. Der Reporter meldete: Die Kommission für Verfassung, Justiz und Bürgerrechte des brasilianischen Bundessenats hat den Antrag auf das Amtsenthebungsverfahren gegen den Gouverneur genehmigt. So weit, so gut,dachte ich. Ich bin nicht in São Paulo. Bin kein Moslem. Bin nicht Gouverneur.
    Als ich parkte, stand Joel in der Tür der Polizeiwache.
    Kommst du, um dich zu stellen?, fragte er.
    Für einen Moment kam mir der Gedanke, Sulamita könnte mich hintergehen. Aber dann lachte Joel schallend los. Du Glückspilz, sagte er.
    Ich weiß nicht, wie lange ich in meinem Pick-up wartete, Joel ließ mich jedenfalls nicht eine Sekunde lang aus den Augen, während er vor der Tür stand und rauchte. Als Sulamita eingestiegen war, fuhr ich abrupt los und schrie, kaum dass wir um die Ecke gebogen waren, verdammt noch mal, was soll das, wie kannst du so etwas mit mir machen? Wo bist du gewesen? Was zum Teufel ist los? Ich hämmerte mit der Faust aufs Armaturenbrett.
    Sie haben die Sache eingestellt, erklärte Sulamita und holte ein Bündel Geldscheine aus der Tasche, das sie soeben erhalten hatte.
    Leichenblass hielt ich am zentralen Platz der Stadt an, um mir den Rest der Geschichte anzuhören. Ich habe erfahren, dass die Ermittlungen bereits am frühen Nachmittag eingestellt worden sind, erklärte Sulamita. Ich hatte sogar schon meinen Freund in Brasília angerufen. Zum Glück habe ich ihm nicht gesagt, worum es ging.
    Dudu war derjenige gewesen, der die Besprechung auf der Polizeiwache einberufen hatte. Caleiro war da, sagte sie, und sie haben Fragen gestellt, über dich, über uns beide, und so weiter und so fort. Sie haben geredet und geredet und eigentlich nichts gesagt. Dann habe ich gefragt, wann wir die DNA-Proben der Familie für die Untersuchungen in Brasília bekommenwürden. Da haben die beiden sich noch mehr verhaspelt.
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