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Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Titel: Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Autoren: Mario D Richardt
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1. AKT: Allein
    LEBEN UND LIEBEN IN L.E.
    Zu jedem Topf passt ein Deckel. Und ich bin eine Bratpfanne. Keine aus Teflon, die nichts anbrennen lässt, sondern eine gusseiserne, für die es einfach keinen Deckel gibt. Seit ich nach Leipzig gezogen bin, hat Amor nur noch Mist gebaut. Meines Erachtens steht er seit geraumer Zeit unter dem Einfluss von Alkopops. So sehr kann man sich doch nicht verschießen, wie er es tut. Wobei ICH ja der sein sollte, der sich »verschießt«. Nun, das mache ich auch. Nur eben leider in die falschen Frauen. Aber jetzt, Ladies and Gentlemen, wird alles anders. Das habe ich im Gefühl. Denn: Jennifer sitzt in meinem Wohnzimmer.
    Vor zwei Wochen habe ich sie in einem Café kennengelernt. Gezwungenermaßen. Als ich nach dem Kaffeetrinken aufstehen und gehen wollte, schob ich meinen Stuhl so weit zurück, dass ich der Kellnerin hinter mir die Stuhllehne in den Bauch rammte. Ehe ich bemerkte, was ich angerichtet hatte, ergossen sich ein Latte macchiato, ein Milchkaffee und ein Hefeweizen über die Frau am Nachbartisch. Es erwischte zuerst ihren Nacken, dann ihr weißes Oberteil und schließlich ihre Jeans. Und das im Bruchteil einer Sekunde.
    Im zweiten Bruchteil derselben Sekunde stieß die junge Dame einen gellenden Schrei aus. Und einen weiteren hinterher. Den ersten wegen des Schrecks, den zweiten beim Anblick ihrer nun ziemlich durchsichtigen Bluse. Die Plörre muss lauwarm gewesen sein, denn Schmerzen hatte sie offensichtlich nicht. Stattdessen konnte ich mir was anhören. Es fielen Worte wie Volltrottel, Blödmann und Quatschidiot. Als sie die letzte Beleidigung von der Leine ließ, musste ich lachen. Wer sagt schon »Quatschidiot«? Das habe ich im Leben noch nie gehört. Mein Lachen brachte sie noch mehr auf die Palme, und ich merkte, dass es an der Zeit war, mich zu entschuldigen.
    Gesagt, getan. Ich entschuldigte mich gefühlte 239 Mal bei ihr, begleitete sie zum Waschraum und wartete pflichtbewusst vor der Tür. Nach gut zwanzig Minuten kam sie wieder heraus, und ich versprach ihr, selbstverständlich für die Reinigungskosten aufzukommen. Außerdem bot ich ihr an, sie nach Hause zu bringen, damit sie sich in diesem Zustand nicht länger in der Öffentlichkeit blamieren müsse. Erst jetzt sah ich genauer hin, wem ich da indirekt die Brühe über den Körper gekippt hatte. Jenny blickte mich mit strahlend blauen Augen an, sprach mit einem zuckersüßen Mund und hatte eine verdammt niedliche Nase. Sie sah ohne die Zornesfalten definitiv attraktiver aus.
    In den folgenden Tagen trafen wir uns zweimal: Einmal im Kino, einmal zum Essen. Und jedes Mal hat es mehr zwischen uns gefunkt. Heute hatten wir unsere dritte Verabredung. Wobei es keine richtige Verabredung war, denn ich traf sie zufällig in meinem Lieblingsbuchladen vor dem Neuheiten-Regal. Und nun sitzt sie drüben im Wohnzimmer auf meinem Sofa, während ich in der Küche stehe und verzweifelt nach etwas Essbarem suche. Es war eine äußerst dumme Idee, sie ohne Vorbereitung nach Hause einzuladen. Sie wissen schon, was ich damit meine: Aufräumen, Einkaufen und die Wohnung nett herrichten, um Eindruck zu machen. Aufgeräumt ist es zwar grundsätzlich, aber das Thema Einkaufen ist ein heikler Punkt. Als Single-Mann habe ich kaum etwas im Haus – und noch weniger im Kühlschrank. Männer kochen nicht für sich selbst. Zwei Stunden am Herd stehen für zehn Minuten Herunterschlingen. Da gibt es ein klares Missverhältnis. Kühlschranktechnisch betrachtet erfülle ich alle Attribute des deutschen Klischee-Singles.
    Ich bin pragmatisch veranlagt, solange es um mich selbst geht. Mir reichen mittags auch mal eine Schüssel Cornflakes, zwei Fertigbuletten mit viel Ketchup oder ein Döner vom Dönermann um die Ecke. Das kann ich Jennifer auf die Schnelle nicht bieten. Im Kühlschrank herrscht klaffende Leere – bis auf drei Gläser Marmelade, ein Stück Butter, eine Flasche Weißwein, eine Packung Curry King und ein angefangenes Stück Käse. Im Küchenschrank finde ich zwei Büchsen: Erbsensuppe und Linsen mit Bauchspeck. Außerdem eine Fünfminuten-Terrine. Die reicht nicht für uns zwei, zudem liegt das Verfallsdatum vierzehn Monate zurück. Eine Packung Salzstangen, zwei Tüten Kartoffelchips und ein halbleeres Glas Nutella finden sich im untersten Fach an. Ich hätte nicht sagen sollen: »Ich zaubere uns mal schnell was Schönes!«
    Klar, Tim Mälzer und Konsorten hätten aus meinen Zutaten noch ein Cordon Bleu an Safransauce
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