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Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Titel: Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Autoren: Mario D Richardt
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Minute vom Film mitzubekommen.
    Zu Hause treffe ich auch keine Frau – bis auf Christel von der Post. Da entspanne ich mich von stressigen Arbeitstagen mit Filmen, sauge das Aktuellste aus dem Weltgeschehen und vom Fußboden auf, bearbeite Fotos, schreibe. Der Single-Haushalt muss auch auf Vordermann gebracht werden. Und zack – schon ist der Tag um.
    Bevor ich dreißig wurde, klappte es ausgesprochen problemlos, Bekanntschaften zu schließen. Gut, SIE war nie dabei, aber ich habe von Frau zu Frau dazugelernt. Und ausgerechnet jetzt, wo ich weiß, was Frauen wollen, lassen sie mich hängen. Dabei habe ich erst fünfzig Prozent meines Renteneintrittsalters erreicht. Wenn es nach dem Bestreben der deutschen Politik geht, sogar erst vierzig Prozent.
    Wenn ich endlich mal wieder Schmetterlinge im Bauch haben will, muss ich eben Raupen schlucken, auch wenn ich kein Dschungelcamper bin. Doch wo fange ich am besten an? Auf Sportvereine habe ich keine Lust, für das Spielen eines Instruments bin ich zu untalentiert, mit dem Tanzen ist es wie mit den Instrumenten, Briefmarken habe ich als Zehnjähriger gesammelt. Gibt es überhaupt noch so etwas wie Philatelisten-Vereine? Und wenn ja, wohl kaum welche, in denen auch Frauen zugegen sind.
    Früher war das so ein geflügelter Spruch: »Soll ich dir mal meine Briefmarken-Sammlung zeigen?« Heute würde man wohl sagen: »Soll ich dir mal meine YouTube-Videos zeigen?«
    Aus dem Alter für solche Spielchen bin ich nun wirklich raus. Aber viel Zeit zum Ausprobieren ist nicht mehr, so laut, wie ich meine biologische Uhr hämmern höre. Manchmal denke ich, in mir schlägt die Gloriosa, die Glocke des Erfurter Doms.
    Ich wünschte mir, ich könnte mein Leben abspeichern und einfach drauflos probieren. Wenn es nicht klappt, drücke ich auf Abbrechen, lade den alten Lebens-Spielstand erneut und mache dort weiter, wo ich aufgehört habe. So lange, bis Mrs. Perfect dabei ist. Genau, ich werde mein Heft der Liebe selbst in die Hand nehmen. Und damit meine ich nicht den Playboy. Wenn Amor so kurzsichtig oder besoffen ist, muss ich ihm seinen Bogen samt Köcher aus der Hand reißen und mich selbst darum kümmern.
    Deshalb gehe ich ins … Internet. Man(n) muss alles mal ausprobiert haben, um die Liebe seines Lebens zu finden. Ich melde mich in einem Flirtportal an und nenne mich »Der_Richtige_29«. »29« liest sich viel besser als ein Alter mit einer »3« an erster Stelle. Bin ja auch nur knapp darüber.
    Das Ausfüllen der Daten im Online-Formular ist ziemlich mühselig. Was die alles wissen wollen: Sind Sie bereit für eine neue Beziehung? Dazu stehen vier Auswahlmöglichkeiten. Eine davon beinhaltet, die Antwort zu verschweigen. Ich kreuze »ja klar« an, denn natürlich bin ich bereit dafür. Sonst wäre ich doch nicht hier! Komische Frage. Weitere Optionen wären »noch nicht« und »vielleicht«.
    Ich will jedenfalls und fliege über die nächsten Fragen: Familienstand, Größe, Gewicht, Statur, Haarfarbe, Augenfarbe, Kinder, Beruf … Hier wird alles von oben bis unten abgeklopft. Ein bisschen wie Stasi 2.0. Oder Facebook. Ob ich rauche? Natürlich nicht. Ich bin doch nicht lebensmüde. Ob es mich stört? Na klar! Dann soll ich meinen auffälligsten Charakterzug angeben. Die Bandbreite reicht von humorvoll und sensibel bis zu beharrlich, besitzergreifend und nervös. Mal unter uns Betschwestern: Würden Sie jemanden kennenlernen wollen, der von sich behauptet, sein auffälligster Charakterzug sei Beharrlichkeit, Besitzergreifung oder Nervosität? Also ich nicht. Da ist doch schon einiges an Problempotenzial als Extra inbegriffen. Die Seitenbetreiber sollten mal darüber nachdenken, ob die Auswahlmöglichkeiten optimal vorgegeben sind. Insgesamt stehen 25 Optionen zur Wahl – und davon haben sage und schreibe vierundzwanzig einen negativen Beigeschmack. So weiß ich zumindest, wen ich AUF KEINEN FALL treffen möchte. Ich klicke für mich erst einmal auf »humorvoll«.
    Weiter geht’s. Hobbys und Freizeitaktivitäten – mit je vierzig Auswahloptionen. Zum Beispiel: Fischen. Jagen. Zinnfiguren sammeln. Das steht da allen Ernstes! Schließen solche Hobbys nicht von vornherein eine Partnerschaft aus?
    Jetzt sind die lustigen Multiple-Choice-Kategorien vorbei und ich soll selbst tätig werden. In den Rubriken »Leidenschaften«, »Filme«, »Bücher« und »Was mir an meinem Beruf gefällt und was nicht« hat man jeweils dreihundert Zeichen, um sich auszulassen. Und ich lasse aus.
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