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Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Titel: Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Autoren: Mario D Richardt
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Topmodel. Perfekter Blick, perfektes Lächeln. Nur der Vater ist … wie soll ich es sagen … etwas aus dem Rahmen gefallen. Er lächelt nicht. Er guckt nicht in die Kamera. Nein, er hat die Augen nicht mal offen. Im Gegenteil. Die Schotten sind geschlossen und der Mund verzerrt. Ich sehe auf den ersten Blick aus wie ein … GRAUMULL aus dem Leipziger Zoo. Und ehrlich gesagt auf den zweiten Blick auch!

Epilog
    Johannas erstes Wort ist leider nicht »Papa«. Ich bin »Dada«. Auch gut. Ich weiß ja, wen sie meint. »Mama« kommt unserer Tochter schon leicht und auch oft über die Lippen. Jetzt – mit zwölf Monaten – muss ich daran arbeiten, ihr die wichtigsten Wörter des Lebens beizubringen. Vielleicht hat sie ja bald »Hertha« auf dem Kasten.
    Auch sonst macht Johanna enorme Fortschritte. Die Betonung liegt auf dem zweiten Wortteil. Sie kann bereits prima und mit Begeisterung laufen – jedenfalls an der Hand und an den Wänden entlang, ein paar Mal um das ganze Zimmer. Nichts ist sicher vor ihr. Mit einer Selbstverständlichkeit räumt sie in aller Ruhe und mit überraschender Akribie Schränke, Regale und Schubladen aus. Was ihr gefällt, wandert nach wie vor in den Mund. Stundenlang kann sie sich mit Zeitungen und Zeitschriften beschäftigen. Nicht, dass sie darin lesen würde. Nein, wir haben kein Wunderkind. Aber einen Reißwolf. So kommt es, dass ich derzeit auch keine (vorzeigbaren) Visitenkarten habe. Den Stapel hat sie sich unter den Nagel gerissen, fein säuberlich zerpflückt, in der Wohnung verteilt, nicht ohne vorher Karte für Karte zerrissen, geknickt oder abgelutscht zu haben.
    Und wissen Sie was? Es stört mich nicht. Es sei denn, sie hat wieder meinen Rechner, mein Handy oder die Steuererklärung in der Mache. Aber ansonsten beobachten wir sie mit einem Grinsen im Gesicht, weil es so zuckersüß ist, wie sie die Welt entdeckt.
    Sie beobachtet uns und ahmt nach. Ihre Spielzeuge lässt sie gern links liegen und stöbert mit Vorliebe laut lachend in der Erwachsenenwelt herum. Sie zieht sich an Möbelstücken hoch wie Reinhold Messner am Mount Everest, und klatscht vor Freude in die Hände, wenn sie die aufrechte Position erreicht hat. Dabei vergisst sie, dass sie sich ja eigentlich noch festhalten muss. Merkt sie, dass sie plötzlich freihändig dasteht, plumpst sie auf den Hintern. Weh tut ihr das durch die Windelpolsterung allerdings nicht. Kleinere Unfälle verkraftet sie wie ein Indianer. Wenn ihr aber jemand anderes weh tun will, dann werde ich zum Indianerhäuptling und grabe das Kriegsbeil aus, wie neulich bei unserem Familienausflug. Wir sitzen in einem Restaurant mit angrenzender Spielfläche im Hänsel und Gretel-Look. Johanna darf sich auf der eingezäunten Spielwiese austoben. Da taucht so ein Rumbuff-Kind auf, entschuldigen Sie den Ausdruck. Während ich in ein Pizzastück beiße, beobachte ich, wie der vielleicht Vierjährige mit aufgesetzter Gaunermiene zur Spielzeugkiste geht, zwei spielende Kleinkinder zur Seite drängt und die Kiste an sich reißt. Dazu sagt er mit tiefer Stimme: »Meins!«
    Ich denke: »Was für ein schlecht erzogener Bengel!«
    Nun sitzt er allein da und verliert sofort das Interesse. Er steht auf, läuft zu einem Zweijährigen rüber, nimmt ihm den Plastik-Fliegenpilz weg und blökt: »Meins!«
    Ich denke: »Was für ein kleiner Tyrann!«
    Aber der Raubzug ist noch nicht vorbei. Der Mini-Drachen marschiert geradewegs auf Johanna zu und reißt ihr ein Bilderbuch aus der Hand. »Meins!«, schreit er sie an. Johanna setzt einen so traurigen Blick auf, dass es mir fast das Herz zerreißt.
    Die Eltern des Rumbuffs scheint nicht im Geringsten zu interessieren, was ihr Nachwuchs treibt. Er schubst ein kleines Mädchen um, das an einem Spielzeugbackofen steht, und nimmt ihr die Brotschaufel weg. Dann schubst er Johanna weg, die auf dem Hosenboden landet und anfängt zu weinen.
    »Jetzt reicht’s!«, sage ich zu meiner Frau, schiebe meinen Stuhl zurück, gehe in den Spielbereich, beuge mich zu dem Unhold runter und flüstere ihm zu: »Hör mal, Zwerg Nase, glaubst du eigentlich an Hexen und Zauberer?« Er guckt mich mit großen Augen an und nickt. »Das ist schön«, flüstere ich weiter »Weißt du, ich bin nämlich ein mächtiger Zauberer und beobachte dich schon eine ganze Weile. Und weißt du was? Wenn ich noch ein einziges Mal sehe, wie du andere Kinder ärgerst, dann verwandle ich dich in einen kleinen, dicken Frosch und du musst quakend von Tümpel zu
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