Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Titel: Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Autoren: Mario D Richardt
Vom Netzwerk:
Knirps fängt an, wie eine Sirene zu heulen. Seine Mutter straft mich sofort mit einem bösen Blick. Als ob ich was dafür könnte. Nicht ich habe ihrem Blag die Ohren langgezogen!
    Nach gut neunzig Minuten ist der Spuk vorbei und ich kann Johanna anziehen. Als wir aus dem Raum kommen, laufe ich wieder Frau Pumuckl in die Arme.
    »Na, haben Sie Frau und Kind gefunden? Wie hat es Ihnen denn gefallen?«
    »Oh … Spitze war es. Wir kommen auf jeden Fall wieder«, erzähle ich mit dem Wissen, dass ich mir montags nun immer etwas vornehme, sollte ich nicht arbeiten müssen. Irgendein Bankberater, Finanzexperte oder Vermögensberatungsgauner findet sicherlich Gefallen daran, mir meine Zeit zu stehlen. Hauptsache, ich bin verhindert. Sonst kommt Christin noch auf falsche Gedanken, wo es doch heute so gut geklappt hat.

DAS VERMÄCHTNIS DER ZERBROCHENEN BRILLE
    Im siebenten Monat ist Johanna agiler als je zuvor. Man darf sie auf keinen Fall mehr aus den Augen lassen. Es sei denn, sie liegt auf ihrer Krabbeldecke auf dem Fußboden. Da fühlt sie sich wohl. Wenn ich zum Beispiel unter der Dusche stehe, liegt sie im Bad, knuddelt ihre Quietschente und gibt lustige Geräusche von sich. Nur wenn es leise wird, ist es höchste Eisenbahn, dass ich hinter der Duschtrennwand hervorschaue. Nicht selten heckt sie dann Dummheiten aus und robbt durchs ganze Badezimmer. Sie robbt wie eine kleine, süße Babyrobbe durch ihre Welt und erreicht alles, was sie als Ziel der Begierde auserkoren hat. Selbst wenn der Gegenstand hinter ihren Füßen liegt: In Nullkommanichts wirbelt sie sich auf dem Bauch herum. Wenn sie groß ist, will sie mal Propeller werden.
    Heute hat sich unser kleiner Ventilator so fix gedreht, dass sie dabei ihre Krabbeldecke zu einer Papa-Stolperfalle umgebaut hat. Während sie auf den warmen Fliesen robbenderweise in Richtung Dusche unterwegs ist und ich beim Zähneputzen nach ihr sehen will, laufe ich rein in die fiese Falle, verliere mein Gleichgewicht, kann mich aber gerade noch abfangen und lande mit meinem Hintern auf dem geschlossenen Klodeckel. Weil der aber aus Keramik ist und ich ein ordentliches Lebendgewicht auf die Waage bringe, kracht es laut – und der Deckel bricht in zwei Hälften.
    Ich hätte bei meiner Ernährungsumstellung nicht nur die Box mit den Süßigkeiten von einer Ecke in die andere Ecke umstellen sollen. Aber selbst bei einem Fliegengewicht hätte es gescheppert. Nun ja, wie heißt es so schön: Hätte, hätte, Fahrradkette. Aber das Leben ist lustig. Findet jedenfalls Johanna. Sie guckt mich mit ihren großen Augen an und fängt an zu lachen. Also von mir hat sie die Schadenfreude nicht geerbt.
    Ich stehe vorsichtig auf und sehe mir das fabrizierte Desaster an. Da muss eine neue Brille her. Die besorge ich gleich, nehme ich mir vor. Ich brauche beim Spazierengehen immer ein Ziel vor Augen. Heute habe ich nun eins. Und meine Tochter nehme ich mit. Schließlich hat sie mir das eingebrockt. Ich packe sie in den Kinderwagen und mache mich auf den Weg zum Baumarkt, der keine 500 Meter entfernt ist. Auf dem Weg dorthin komme ich an neun Geschäften vorbei. Außerdem an acht Männern. Und an fünf Frauen. Vier von ihnen blicken ganz verzückt zu Johanna und mir. Drei davon wagen einen kurzen Blick in den Kinderwagen. Und zwei wollen gleich ganz neugierig Geschlecht, Name und Alter wissen. Von Johanna. Nicht von mir.
    Unglaublich, was ein Baby im Kinderwagen für ein Frauenmagnet ist. Ein Kind in Begleitung seines Vaters wirkt wie Zuckerwasser auf Wespen. Man(n) wird sofort umschwärmt.
    Ich schiebe den Wagen in den Baumarkt, und hier geht das Kuddeldaddeldudeda weiter – bei der Mitarbeiterin am Informationsschalter. Wenigstens kann ich nach dem »Dudidudidei«, dem »Hach, ist die süüüß!« und dem anschließenden »dem Papa wie aus dem Gesicht geschnitten!« gleich mal fragen, in welcher Reihe es Toilettendeckel gibt. Sie weist mir den Weg, und nach einer gefühlten Viertelstunde bin ich in Reihe 17 angekommen, wo hunderte WC-Sitze im Regal hängen und darauf warten, endlich abgeholt zu werden. Das Aussuchen unseres neuen Klodeckels dauert. Aber Johanna drängt mich nicht. Sie ist in der Zwischenzeit eingeschlummert. Ich marschiere langsam am Regal entlang und wundere mich über den schrägen Geschmack der Klobrillen-Designer. Da prangen Comicfiguren auf den Sitzen, Aquarien, Kamin-Motive, Strandmotive … In allen Variationen auf allen Materialien: Weichplastik, Hartplastik, Holz, Keramik
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher