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Koenigsmoerder

Koenigsmoerder

Titel: Koenigsmoerder
Autoren: Karen Miller
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ERSTER TEIL
    Asher stand auf der Sandsteintreppe des Turms, schirmte mit einer Hand die Augen gegen die Sonne ab und beobachtete, wie die Reisekutsche mit ihrer königlichen Fracht und Meistermagier Durm die Einfahrt hinunterholperte, um die Kurve bog und dahinter verschwand. Dann stieß er einen gewaltigen Seufzer aus und marschierte zurück in den Turm. Darran und Willer, die nirgends zu sehen waren, hinterließ er eine Notiz, dass die königliche Familie zu einem Picknick gefahren sei.
    Mit einem Prinzen, so befand er, während er die Wendeltreppe hinauflief, hatte man das sehr ärgerliche Problem, dass sie zu Picknicks auf dem Land entschwinden konnten, wann immer ihnen der Sinn danach stand, ohne dass jemand sie hätte aufhalten können. Sie konnten sagen: »Oh, seht nur, die Sonne scheint, die Vögel singen, wer schert sich heute um Pflichten? Ich denke, ich werde für ein oder zwei Stündchen zwischen den Blauglöckchen umherspa-zieren, trallala, trallala.«
    Und wenn man für einen Prinzen arbeitete, hatte man ebenfalls ein Problem, fügte er im Geiste hinzu, während er die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufdrückte und mit einer Mischung aus Mutlosigkeit und Entsetzen den Stapel von Briefen, Memoranden und Terminplänen betrachtete, die in seiner Abwesenheit nicht auf magische Weise von seinem Schreibtisch verschwunden waren. Das Problem bestand darin, dass man selbst nie in den Genuss dieser Art von sorglosem Luxus kam. Irgendein armer Narr musste sich um die Pflichten kümmern, die die Königlichen Hoheiten so fröhlich im Stich gelassen hatten, und jetzt hieß dieser arme Narr eben Asher.
    Mit einem weiteren Seufzer stieß er die Tür hinter sich zu, ließ sich widerstrebend auf den Stuhl sinken und machte sich wieder an die Arbeit.
    Während er sich gewissenhaft durch Meister Glospottles pestilenzisches Pisseproblem quälte, bemerkte er nicht, dass das Licht des Tages langsam verdämmerte und die Zeit verging. Ihm war nicht einmal bewusst, dass er nicht länger allein in seiner Amtsstube war, bis ihm jemand eine Hand auf die Schulter legte und sagte: »Asher? Träumst du? Wie heißt sie?«
    Erschrocken fuhr er auf dem Stuhl herum. »Matt! Du verrückter Hund! Willst du, dass mir das Herz stehen bleibt?«
    »Nein, ich versuche, deine Aufmerksamkeit zu erringen«, sagte der Stallmeister.
    Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Grinsen und Sorge. »Ich habe geklopft, bis meine Knöchel wund waren, und dann habe ich deinen Namen gerufen. Zweimal. Was ist so wichtig, dass du deswegen taub geworden bist?«
    »Urin«, erwiderte er säuerlich. »Hast du welchen?«
    Matt blinzelte. »Hm, nein, nicht dabei. Jedenfalls nicht als solchen.«
    »Dann bist du verdammt nutzlos für mich. Du könntest dich genauso gut gleich wieder verziehen.«
    Die wohltuende Aura von Unerschütterlichkeit war es, die er an dem Stallmeister am meisten schätzte. Mit welcher Merkwürdigkeit auch immer man ihm kommen mochte, Matt würde immer nur lächeln. So, wie er jetzt lächelte. »Und wenn ich frage, warum du so dringend Urin brauchst, wird es mir dann leidtun?«
    Asher, der sich plötzlich der steifen Muskeln in seinem Nacken und drohender Kopfschmerzen bewusst wurde, schob seinen Stuhl zurück und stampfte durch seine Amtsstube. Hah! Seinen Käfig! »Wahrscheinlich. Mir tut es auf jeden Fall leid, mich damit befassen zu müssen. Urin gehört in den nächsten Nachttopf, er ist nicht dafür da, ihn zu horten wie ein Knauser sein Gold.«
    Matt wirkte verwundert. »Seit wann verspürst du den Drang, Urin zu horten?«
    »Den habe ich noch nie verspürt! Es ist der elende Indigo Glospottle, der den Drang verspürt, nicht ich.«
    »Ich weiß, ich werde diese Frage bereuen, aber wie, in Barls Namen, könnte irgendjemand eine Knappheit an Urin zu beklagen haben?«
    »Indem er klüger ist, als es ihm verdammt noch mal guttut!« Er lehnte sich an das Fenstersims, die Brauen finster zusammengezogen. »Indigo Glospottle sieht sich selbst gern als >Künstler<, musst du wissen. Das gute, altmodische Färben der Stoffe, wie sein Pa es getan hat und der Pa seines Pas vor ihm, das ist für Meister Indigo Glospottle einfach nicht gut genug. Nein. Meister Indigo Glospottle muss sich neue Methoden des Färbens von Tuch, Wolle und dergleichen ausdenken, nicht wahr?«
    »Nun«, wandte Matt der Gerechtigkeit halber ein, »du kannst dem Mann keinen Vorwurf daraus machen, dass er versucht, sein Gewerbe zu vervollkommnen.«
    »Doch, das kann ich!«, gab
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