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Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Leerer Kuehlschrank volle Windeln

Titel: Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Autoren: Mario D Richardt
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und Papas DVD -Sammlung unter das Sofa zu befördern.
    Johanna hat Hummeln im Hintern. Offenbar sogar ein ganzes Hummelnest. Stillsitzen ist für sie ein Graus. Auch beim Essen. Wenn wir gemeinsam am Esstisch sitzen, pfeift sie auf ihren Brei und zeigt auf das, was sie wirklich essen will. Auf unser Erwachsenen-Abendessen. Her damit. Und zwar JETZT ! »Dat! Dat! Dat!« Sie will Nudeln, Brot, Tomaten, Äpfel, Gurken, Kartoffeln, Kiwis … Das ganze Speisesortiment rauf und runter. Sie muss unbedingt etwas in der Hand haben und daran knabbern – auch wenn sie erst zwei Mini-Zähnchen im Unterkiefer hat. Unter ihrem Hochstuhl sieht es aus, als wäre ein Wildschwein durch ein Restaurant gerast. Wenn sie einmal etwas nicht bekommt, schmeißt sie den A380 an und versucht, sich aus ihrem Sitz zu befreien. Das sind die Momente, in denen sie auf unseren Nerven Banjo spielt. Lässt man sie gewähren, legt sie sich mit dem Oberkörper auf den Tisch und schnappt sich beispielsweise vom Teller meiner Frau eine Scheibe Salami vom Brot herunter. Die steckt sie sich genüsslich in den Mund, merkt allerdings schnell, dass sie doch nicht ganz nach ihrem Geschmack ist. Also landet die Wurst in hohem Bogen auf dem Fußboden.
    Manchmal muss man einfach weggucken und durchatmen. Das fällt mir schwer. Seit ihrer Geburt hat Johanna mit Mama und Papa zwei Bodyguards an ihrer Seite, die sie auf Schritt und Tritt beschützen. Nichts soll ihr passieren. Unsere Wohnung ist wie Fort Knox gesichert, wir sind mit Treppengittern, Kantenschutz und Türklemmgummis ausgestattet. Aber mein Kopf ist keine Rundumleuchte. So lief die letzte Woche ab wie ein richtiger EMERGENCY BOOM.
    Am Montag zog sie sich an der Schublade meines Schreibtischs hoch, steckte die Finger hinein und schob die Lade wieder zu. So viele Schranksicherungen, wie wir bräuchten, gibt es gar nicht.
    Am Dienstag richtete sie sich am Wäscheständer auf. Das merkte ich erst, als sie wie ein Grillhähnchen darunter lag.
    Am Mittwoch räumte ich den Geschirrspüler aus, Johanna lief um die offene Klappe herum. Als ich die letzten Tassen wegräumte und nur ein paar Sekunden nicht hinguckte, schrie sie plötzlich auf. Sie hatte sich an der Geschirrspüler-Klappe in den Finger geschnitten. Die Wunde am Finger war gut einen Zentimeter lang. Das zog Johannas ersten Aufenthalt im Kindernotfallzentrum nach sich. Der Verband um die Hand sah wie ein weißer Boxhandschuh aus.
    Am Donnerstag holte ich beim Frühstück ein Brötchen aus der Küche. Das war Johannas Chance. Sie zog sich am Tisch hoch, wanderte schnurstracks um drei Seiten herum und erwischte die große Teetasse. Als ich fünfzehn Sekunden später zurück ins Wohnzimmer kam, hielt sie ihre Hand mit dem Verband in die Tasse, steckte sie im Anschluss in den Mund und saugte mit Genuss den Tee heraus.
    Am Freitag turnte sie wieder am Tisch herum, übersah allerdings, dass der Tisch irgendwann ein Ende hat, griff ins Leere und donnerte unsanft aufs Parkett. Wenn ich mit vierzig graue Haare habe, brauche ich über die Ursachen nicht lange nachzudenken.
    Nur wenn sie im Wasser ist, brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Hier gibt es keine Tischkanten, Geschirrspülerecken oder Wäschetrocknerstäbe, hier ist alles rundherum weich und Johanna fühlt sich delphinwohl. Beim Babyschwimmen schwimmt sie auf Entdeckungsreise. Gern nimmt sie große Schlucke aus dem Wasser und sieht dabei aus wie ein Karpfen. Mit ihren paar Monaten Lebenserfahrung bewegt sie sich cooler im Wasser als ich – Papa Pottwal.
    Am letzten Tag des Babyschwimmens ist ein Fotograf dabei, der Unterwasser-Familienfotos schießen will. Christin hat das Tauchen mit Johanna schon in den letzten Kursstunden geübt, und unserem kleinen Fisch gefällt es. Ziel ist es nun, einen tauglichen Schnappschuss hinzubekommen. Dazu sollen wir Eltern unser Kind in die Mitte nehmen und gemeinsam tauchen. Blick in die Kamera – und fertig.
    Als Hobbyfotograf weiß ich, worauf es ankommt, deshalb predige ich meinen beiden Mädels, dass sie unbedingt die Augen offen halten und den Blick in die Unterwasserkamera suchen sollen. Zumindest Christin hat versprochen, es zu versuchen. Dann ist es soweit. Drei, zwei, eins … tauchen, lächeln, auftauchen, fertig. Nach dem Umziehen sehen wir uns die Bilder an. Johanna hat ihren Job großartig gemacht. Sie hat die Augen auf, als wäre sie an der Luft und lächelt direkt in die Kamera. Christin ist ebenfalls eine Anwärterin auf Germanys Next Underwater
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