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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Autoren: Bastian Bielendorfer
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schwachen Ausgangslage herausgeholt hatte. Das Einzige, was meiner konischen Körperform und dem pickeligen Gesicht so richtig geschmeichelt hätte, wäre zwar eine Burka gewesen, doch in Ermangelung dessen hatte ich auf die partykompatibelste Kleidung zurückgegriffen, die ich in meinem Schrank finden konnte. So trug ich nun ein schwarzes Polyesterhemd mit chinesischen Schriftzeichen und eine Krawatte mit einem grünen Feuer speienden Drachen. Kombiniert mit einer Dreiviertelkakihose und Doc Martens, sah ich nun dezent pflegebedürftig aus. Auch die Vermutung, ich hätte mit einem Rudel Psychiatrie-Insassen einen KIK-Textildiskont geplündert, war bei meinem Anblick nicht ganz unbegründet. Auch olfaktorisch hatte ich vorgesorgt und mir eine komplette Dose AXE -Moschusdeodorant über den Körper verteilt. Schweißflecken waren somit zwar ausgeschlossen, allerdings hatte unser Hund direkt nach meinem Bad im Deo versucht, sich mit meinem Bein zu paaren.
    Ich hatte meine Dreiliterflasche Lambrusco in der Armbeuge. Ein feiner Tropfen, der sehr wahrscheinlich nach Motorenöl schmeckte und zu Erblindung führte, aber immerhin war die Flasche schön.
    Ein letztes Mal einatmen, Haltung annehmen, Bauch einziehen. Klopfen.
    Ein junger Mann öffnete und schielte mich durch den Türspalt an, anscheinend war der Billig-Lambrusco hier bereits verkostet worden.
    »Was is?«, seiberte Martin Siekmann, bei dem mein Kommen keine besondere Freude hervorzurufen schien.
    »Ich muss Taylor, meinem Austauschschüler, was sagen. Außerdem hab ich jede Menge Fusel dabei«, biederte ich mich an. »Na dann, komm mal rein. Du siehst aus wie das hässliche Kind von Jürgen von der Lippe und Hella von Sinnen«, textete mir der Gastgeber kreativ entgegen und traf mein Outfit damit wohl recht gut. Egal, ich musste da rein, irgendwo da drinnen war Ashley, das Mädchen meines Herzens, der warme Punkt im Universum.
    »Ja, du siehst auch scheiße aus, du Sackspaten«, murmelte ich und drückte Martin die Flaschen in die Hand, Bezahlung für meinen Aufenthalt, die er gerne annahm.
    Als ich den Keller betrat, tat sich das klassische Panorama einer Neunzigerjahre-Kellerparty unter Minderjährigen auf. Überall lagen und standen Pärchen herum, die sich gegenseitig die Lungenflügel mit den Zungen massierten, während ein unterdimensionierter CD-Player den Raum mit dem Brei einer »Kuschelrock«-CD beschallte, was dem Ganzen den Charme einer tschechischen Partnertauschbörse bescherte.
    Mit 15 glaubt man, Küssen bedeutet, dass sich zwei Partner gegenseitig darin überbieten, das größte Vakuum in der Mundhöhle des anderen zu erzeugen. Da wurde gesaugt, gezogen und gepümpelt, als gelte es, einen verstopften Abfluss zu befreien. Das größte Zeichen von Leidenschaft war das Markieren des Partners mit einer Art persönlichem Emblem. Ähnlich wie beim Branding texanischer Kuhherden wurden absurde Blutungen in den Hals des Gegenübers gesaugt, die dann als Knutschflecke Zeichen der Reife darstellen sollten. Gefürchtet war dabei ganz besonders Robert Zinker oder »Der Sauger«, wie man ihn auch nannte. Robert Zinker war vom lieben Gott mit einem besonders breiten Mund ausgestattet worden, den er vornehmlich dazu benutzte, sich wie ein Egel an dem Hals seiner Auserwählten festzusaugen. Warum sich Mädchen dieser Tortur unterzogen, war nicht ganz klar, auch jetzt hatte Robert Zinker schon wieder ein Opfer gefunden. Er lag neben Martina Drökelmann auf einer speckigen Matratze und vakuumisierte ihr fast das Gehirn heraus.
    Der Partykeller war eigentlich nur ein Souterrain mit vergitterten Fenstern und einer Kiefernholzdecke, ausgestattet mit Ohrensesseln und einer Minibar. Normalerweise feierten hier Martin Siekmanns Beamteneltern mit ihren spaßfreien Freunden. An Samstagabenden tanzten hier vom Alkohol enthemmte Sparkassenfilialleiter mit dünnen Haupthaar und hochgestellten Hemdkragen zu »My Generation« von The Who und versuchten sich mit Pommesgabel und Headbangen an der Wiederbelebung einer wilden Jugend, die sie bei genauer Betrachtung nie gehabt hatten. Doch da Martins Eltern sich für zwei Wochen mit ihrem Campingwagen im Harz langweilten, hatte er sturmfrei und den Keller für diese Zeit zu einer Paarungsstätte für Pubertisten ernannt. Wenn sie gewusst hätten, dass ihr Kind und seine Freunde sich während ihrer Abwesenheit mit widerlichen Drinks der Marke Batida de Coco und Kirschsaft oder Blue Curaçao und O-Saft den IQ dezimierten, wären sie
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