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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Autoren: Bastian Bielendorfer
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wahrscheinlich zu Hause geblieben und hätten ihren Thronfolger an der Heizung festgekettet.
    In der Mitte des Kellers hing schlaff ein Scheinwerfer, der den Raum abwechselnd in drei Farben hüllte, und ein kleiner Nebelautomat hustete unregelmäßig Qualm in den Raum. Es roch nach Bier, Schweiß und Käse. Romantisch wie eine Hornhautentfernung, aber mit genug Alkohol bekam selbst dieses Interieur ein ansprechendes Flair.
    Dann sah ich sie. Hinter einer Wand aus Nebel stand Ashley, wie immer schwarz wie Sonja Zietlows Seele. Sie trug Lederstiefel mit riesigem Absatz, unter den Löchern der Netzstrümpfe glänzte milchweiße Haut. Wie auf einem Laufband rollte ich in Ashleys Richtung, meine Füße meldeten die Schritte nicht ans Hirn, ich schwebte durch den Raum und stand plötzlich vor ihr.
    »Hi«, sagte sie und lächelte mich tatsächlich an.
    Jetzt wurde es schwierig, nun musste ich etwas Geistreiches sagen, am besten etwas mit Mehrwert, etwas Witziges, etwas, das Ashley spontan von meinen Qualitäten überzeugte, das ihr zeigte, dass ich der Richtige für sie war.
    »Hi«, sagte ich und winkte mit meiner Hand in der klammen Kellerluft hin und her wie ein Verkehrspolizist. Um mich endgültig lächerlich zu machen, konnte ich ja noch ein bisschen meinen Namen tanzen.
    Als hätte Ashley meine Gedanken gelesen, fragte sie: »Do you want to dance?« und traf damit zielsicher meine größte Schwachstelle. Denn neben meiner Minderbegabung für Sport jeder Art konnte ich auch überhaupt nicht tanzen. Natürlich behauptet jeder Mann von sich, nicht tanzen zu können, in meinem Fall war diese dahingeworfene Floskel allerdings wörtlich zu verstehen. Meine Eltern hatten mich bereits nach der ersten Stunde wieder in der Tanzschule abgemeldet, weil ich meiner Tanzpartnerin einen Mittelfußbruch in den Schuh gestampft hatte. Angeblich sollen meine Verwandten auf der Hochzeit meiner Cousine in Erwägung gezogen haben, einen Notarzt zu rufen, weil sie meine Verrenkungen für Schüttelkrämpfe oder einen epileptischen Anfall hielten.
    Ich nickte schicksalsergeben, vielleicht hatte ich sie ja auch falsch verstanden und sie wollte nur etwas trinken. Leider nicht. Ashley nahm mich an der Hand und zog mich auf die Tanzfläche.
    Der CD-Player schepperte »Wish you were here« von Rednex in den Raum, das war Waterboarding für die Ohren. Stocksteif wie ein Bügelbrett wippte ich von einem Fuß zum anderen, während ich meine Hände brav an Ashleys Hüfte tackerte. Bisher lief das doch ganz gut, Ashley brauchte immerhin noch keine ärztliche Hilfe, dachte ich und machte einen mutigen Ausfallschritt.
    Dann zog mich meine Tanzpartnerin plötzlich zu sich heran, sodass mein Kopf auf ihrer Schulter auflag. Ashley roch ein wenig wie frisch exhumiert, nach Patschuli, dem Parfüm aller Gruftis. Ich mit meiner Jahresration Moschus war anscheinend nicht nur für brünftige Elche attraktiv, denn Ashley flüsterte wahrhaftig »You are so sweet« in mein Ohr. Ich schaute ihr tief in die Augen und begriff, dass meine Chance jetzt gekommen war. Auch wenn ich in meiner Kleidung aussah, als bräuchte ich dringend eine Delfintherapie, nahm ich in diesem Moment all meinen Mut zusammen und küsste Ashley inbrünstig. Beherzt schaltete ich den oralen Traktorstahl ein und zog Ashley noch enger an mich. Meine Zunge schoss hervor wie eine halbgare Fleischwurst und landete direkt in Ashleys Rachen.
    Das also war Romantik. Endlich wusste ich es. Romantik schmeckte nach Gyros und Kaugummi.

Klassenfahrten - Die Hierarchie der Hölle
    So wie es bei Lehrerkindern unterschiedlich starke Ausprägungen des sozialisationsbedingten Schadens gibt, können auch Klassenfahrten in drei Stufen der Monstrosität eingeteilt werden. Je nachdem, welche Stellung man innerhalb der schulischen Hackordnung bekleidet, kann die staatlich subventionierte Freizeitbereicherung von Stufe 1 (super, einen Tag schulfrei!) bis hin zu Stufe 3 (Guantanamo) reichen.
    Die Kenntnis der Eskalationsstufen einer Klassenfahrt hilft Eltern, Lehrern und Schülern dabei, sich vor der Abreise zügig in Sicherheit zu bringen. Die Ursprünge dieser Erkenntnisse entstammen übrigens dem überlieferten Sagenschatz wandernder Gemeinschaften wie Wikingern, Raubrittern oder Aushilfslehrern.
Klassenfahrt Stufe 1
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    Merkmale
    Kurze Ausflüge zu kulturell bedeutsamen Stätten im Umkreis von 400 Kilometern, Dauer meist nicht länger als zwei bis drei Tage, was aber auch schon
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