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Flowertown - Die Sperrzone

Flowertown - Die Sperrzone

Titel: Flowertown - Die Sperrzone
Autoren: S.G. Redling
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»Das Wasser is’ braun.«
    »Mist.« Ellie Cauley zertrat ihre Zigarette auf dem Boden des Flurs, dabei stieß ihr Fuß gegen den kleinen Blecheimer mit ihren Duschutensilien. Er schepperte. In weniger als einer halben Stunde musste sie auf der Arbeit sein. Sie könnte ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz binden, fettig wie sie waren, würden sie lediglich etwas dunkler aussehen. Das größere Problem war, dass sie noch nach dem Sex mit Guy stank, nach diesem eigentümlichen Geruch zwischen Kupfer und Chlor, der von den Abwehrmedikamenten kam und den seine Haut absonderte, wenn er schwitzte. Außerdem roch sie stark nach Gras, aber das war nichts Neues.
    »Mist.« Etwas anderes fiel ihr nicht ein, während sie auf ihr Zimmer zurückging. Alles roch besser als braunes Wasser. Selbst richtige Scheiße.
    »Das Wasser is’ braun.« Sie gab die Botschaft an die junge Mutter weiter, die ihre Kinder über den Flur zu den Duschen trieb und bekam von der gehetzten Frau exakt dieselbe Antwort zu hören. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer voneinem Ende des Flurs zum anderen, und überall um sie herum wurden Türen zugeschlagen und Schimpfwörter ausgestoßen. Sie quetschte sich an einem Paar vorbei, das vor den Toilettenkabinen miteinander stritt und konnte hören, wie sich hinter einer der dünnen Türen jemand übergab. Vermutlich Rachel, dachte sie. Ihre Mitbewohnerin fühlte sich zurzeit hundeelend.
    Als sie in dem kleinen Zimmer angelangt war, das sie und Rachel miteinander teilten, schleuderte Ellie den Duscheimer auf das vollgestopfte Regalbrett oberhalb der Kochplatte und angelte nach ihrer Haarbürste. Der Spiegel über dem Waschbecken war verklebt. Weder sie noch Rachel pflegten einen ausgeprägten Hang zur Reinlichkeit. Es war sowieso egal. Sie wusste, wie sie aussah, während sie die Bürste durch ihr glattes, fettiges Haar zerrte und es anschließend mit einem Gummi unten im Nacken zusammenband. Sie ließ ihren Bademantel zu Boden gleiten, beugte sich nach unten und wühlte durch den Kleiderstapel neben ihrem Bett, wobei sie einen Hauch ihres eigenen Geruchs erhaschte. Flowertown, kein Zweifel, dachte sie. Die beschissensten, stinkendsten Blumen, die ich kenne.
    Flowertown war der abwertende und deshalb geläufige Begriff für den PennCo Verwahrungslagerbezirk. Früher einmal hatte hier der westliche Stadtrand von Dalesbrook, Iowa, gelegen, im nordöstlichen Zipfel von Penn County, bis vor sieben Jahren die Chemiefabrik Feno Chemical ein hochgiftiges Testpestizid entlang der Autobahn und in den Furman Creek verschüttet hatte, der direkt in das Wasserreservoir der Umgebung mündete. Der Landkreis verfügte zunächst eine absolute Ausgangssperre, die Ellie, gemeinsam mit den anderen nichtsahnenden Bewohnern der Gegend, befolgte. Es war nicht das erste Mal, dass auf dem Highway ein Lkw in die Brüche ging, und zuerst schien es nicht annähernd so interessant wie damals,als drüben bei Brunswick ein Lastwagen voll lebender Truthähne umgekippt war.
    Interessanter wurde es erst, als die US-Armee auftauchte und die Stadt verbarrikadierte, während gleichzeitig Männer in Raumanzügen aus Lastern ohne Kennzeichen quollen und die verblüfften Einwohner von Dalesbrook zusammentrieben, so wie man es mit den erschrockenen und dummen Truthähnen im Sommer zuvor gemacht hatte.
    Verseuchung und Sicherheitsverwahrung waren die Schlagwörter dieser ersten Wochen – bald darauf ersetzt durch Quarantäne und Therapie. Und all das musikalisch untermalt von internationalem Mediengetöse und Skandalgeschrei. Die Welt verlangte zu wissen, wer für die Vergiftung von neunzehneinhalb Quadratkilometern im Herzen Amerikas verantwortlich war. Senatsanhörungen wurden einberufen und kriminalistische Ermittlungen durchgeführt. Es starben ein paar Leute und es litten noch viel mehr, aber als aus Wochen Monate wurden, kehrten fast alle Menschen außerhalb der kontaminierten Zone von Penn County zur Normalität zurück, zu ihrer Arbeit und ihren Nachrichtensendungen mit den allgegenwärtigen Horrormeldungen über das allgegenwärtige Grauen auf allen Kontinenten.
    Nur die Einwohner von Penn County, Iowa, – nun der PennCo Verwahrungslagerbezirk – blieben, wo sie waren. Sie pinkelten in kleine Plastikbecher und schluckten haufenweise Pillen, und als sich die heimtückische Chemikalie in ihren Körperzellen festsaugte, bemerkten sie einen übelkeitserregenden, süßlichen Geruch, ähnlich dem Geruch von zu vielen Blumen
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