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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Autoren: Laurence Sterne
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gekommen bin, ein Jeder willkommen, der mir die Feder abnehmen und die Geschichte für mich fortsetzen wollte. Ich sehe ein, wie schwierig die Schilderungen sein werden, die ich jetzt zu machen habe, – und fühle, daß mir die Kräfte dazu mangeln.
    Ein Trost wenigstens bleibt mir hiebei: daß ich in dieser Woche etliche und achtzig Unzen Blut in einem sehr unkritischen Fieber verloren habe, das mich zu Anfang dieses Kapitels erfaßte; so daß mir noch einige Hoffnung bleibt, die Krankheit stecke mehr in den schleimigen oder kugeligen Theilen des Bluts als in der feinen Aura des Gehirns. Mag dem nun sein wie ihm wolle, – eine Anrufung kann nichts schaden, – und ich überlasse es ganz dem Angerufenen, je nachdem er es für gut hält, mich zu inspiriren oder zu injiciren.
    Die Anrufung .
    Du edler Geist des feinsten Humors, der du einst auf der leichten Feder meines geliebten Cervantes saßest! – Der du täglich durch sein Gitter schlüpftest und durch deine Gegenwart die Dämmerung seines Kerkers in Mittagshelle wandeltest, – der du seinen kleinen Wasserkrug mit himmlischem Nektar färbtest, und die ganze Zeit über als er von Sancho und seinem Herrn schrieb, deinen mystischen Mantel über seinen verschrumpften Stummel [Er verlor seine Hand in der Schlacht bei Lepanto.] warfst und ihn über alles Mißgeschick seines Lebens ausbreitetest –
    Kehre bei mir ein, ich flehe dich darum an! – betrachte nur diese Hosen! – sie sind die einzigen, die ich auf dieser Welt besitze, – diesen grausamen Riß haben sie in Lyon erhalten. Und erst meine Hemden! schau welch' ein tödtliches Schisma über sie gekommen ist; – denn die Schöße befinden sich in der Lombardei und der Rest ist hier. – Ich hatte überhaupt nur sechs und eine verschmitzte Betrügerin von Wäscherin in Mailand schnitt mir an fünfen die vorderen Schöße weg. – Sie that es allerdings nicht ohne Ueberlegung, – denn ich kehrte aus Italien zurück.
    Und trotz alle dem, und trotzdem mir überdies in Siena eine Zunderbüchse für Pistolen gestohlen wurde, und ich zwei Mal fünf Paoli für zwei harte Eier bezahlen mußte, das eine Mal zu Raddicoffini, das andere Mal in Capua, – halte ich doch eine Reise durch Frankreich und Italien, vorausgesetzt man bleibt stets guter Laune, für keine so schlimme Sache, als uns die Leute glauben machen wollen. Es muß ein Hinauf und Hinunter geben, wie zum Henker sollte man denn sonst in Thäler gelangen, wo die Natur so viele Gastmähler vor uns ausgebreitet hat! – Unsinn, wenn man glaubt, sie werden uns ihren Wagen leihen, um gratis zusammengerüttelt zu werden; und wenn ihr nicht zwölf Sous für das Schmieren der Räder bezahlt, wie soll dann der arme Bauer die Butter zu seinem Brode bekommen. – Wir machen wirklich gar zu viel Ansprüche! – und was das Livre oder zwei über Pari betrifft, welche Nachtessen und Bett kosten, – so macht das doch höchstens ein Schilling 9½ Pence, – wer möchte deshalb mit seiner Philosophie in Zwiespalt gerathen? Zahlt es um's Himmels- und um eurer selbst willen – zahlt lieber mit beiden Händen, als daß düstere Enttäuschung auf den Augen eurer schönen Wirthin und ihrer Jungfern drückt, wenn ihr unterm Thorweg Abschied von ihnen nehmt; – und überdies, mein lieber Freund, erhältst du ja von einer Jeden noch einen schwesterlichen Kuß, der ein Pfund werth ist: – ich wenigstens hab' einen bekommen.
    Da mir die ganze Zeit über die Liebschaft meines Onkels Toby durch den Kopf ging, so hatte das auf mich dieselbe Wirkung, als ob es meine eigene gewesen wäre. Ich war im Zustand vollkommenster Güte und Wohlwollens, fühlte die menschenfreundlichste Harmonie in mir, die bei jeder Schwingung der Chaise dieselbe blieb; so daß es mir keinen Unterschied machte, ob die Straßen holperig oder glatt waren. Alles was ich sah oder womit ich zu thun bekam, berührte eine geheime Feder der Empfindung oder des Entzückens.
    – Es waren die süßesten Töne, die ich jemals gehört; sofort ließ ich das Kutschenfenster nieder, um sie besser zu hören. – Es ist die Maria, sagte der Postillon, als er bemerkte, daß ich lauschte. – Die arme Maria, fuhr er fort (und drehte sich zur Seite, damit ich sie sehen konnte, denn er saß zwischen uns), da sitzt sie auf einer Bank und spielt ihr Abendlied auf der Pfeife, mit ihrer kleinen Ziege neben sich.
    Und wer ist denn die arme Maria? fragte ich.
    Der Liebling, der bemitleidete Liebling aller Orte hier herum; sagte der
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