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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Autoren: Laurence Sterne
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Besorgnisse einer duldenden und schutzlosen Mutter, die sie zur Welt bringt?
    Das weiß ich wirklich nicht, sagte mein Onkel Toby voll Mitleid; vielleicht durch das Vergnügen, das der gütige Gott in –
    Nicht der Rede werth! fiel sie ein!

298. Kapitel.
    Es gibt so unendlich viele Tonarten, Melodien, Rhythmen, Accente und Blicke, womit dieses: Nicht der Rede werth! in solchen Fällen ausgesprochen werden kann, und eine jede dieser Tonarten gibt einen so verschiedenen Sinn, einen von der andern so abweichenden Begriff wie Schmutz von Reinlichkeit, – daß Casuisten (denn in dieser Beziehung gehört die Redensart zu den Gewissensfällen) nicht weniger als 14,000 Fälle aufzählen, in denen man es recht oder unrecht aussprechen kann.
    Frau Wadman hatte mit ihrem: Nicht der Rede werth: meinem Onkel Toby all sein keusches Blut in die Wangen getrieben. Er fühlte, daß er irgendwie über sein Fahrwasser hinausgerathen sein müsse, und hielt deshalb schnell inne. Dann legte er, ohne weiter auf die Freuden und Leiden des Ehestands einzugehen, die Hand aufs Herz, und sprach sich dahin aus, daß er sie nehmen wolle wie sie eben kämen, und sie mit ihr zu theilen wünsche.
    Nachdem mein Onkel Toby dies einmal gesagt hatte, wollte er es nicht nochmals sagen, und da sein Auge auf die Bibel fiel, welche Frau Wadman auf den Tisch gelegt hatte, nahm er sie in die Hand. Die gute Seele erwischte gerade eine Stelle, die für ihn die allerinteressanteste war, nämlich die Belagerung von Jericho; er begann daher sie zu lesen und ließ seinen Heirathsantrag, wie anfangs seine Liebeserklärung, von selbst weiter wirken. – Er wirkte aber weder in festziehender noch in auflösender Weise, weder wie Opium, noch wie Chinarinde, noch wie Merkur, noch wie Wegedorn oder irgend sonst ein Heilmittel, das die Natur der Welt geschenkt hat; kurz er wirkte eben gar nicht. – Der Grund hievon war aber, daß schon vorher etwas Anderes in ihr wirkte. – Ich Schwätzer habe schon ein Dutzend Mal darauf hingedeutet, der Gegenstand ist aber immer noch nicht erschöpft. – Allons!

305. Kapitel.
    Es ist sehr natürlich, daß jemand, der vollkommen fremd im Lande ist, und von London nach Edinburgh reisen will, vor seiner Abreise fragt, wie viele Meilen es bis York sei, was ungefähr in der Mitte des Weges liegt, – auch wird sich Niemand wundern, wenn er dann weiter nach den Einrichtungen jener Stadt u. s. w. fragt.
    Ebenso natürlich war es, daß Frau Wadman, deren erster Mann die ganze Zeit mit Hüftweh behaftet gewesen, zu wissen wünschte, wie weit es von der Hüfte nach dem Schambein sei; und ob sie wohl dies Mal ebenso in ihren Gefühlen benachteiligt werden würde wie das erste Mal.
    Zu dem Ende hatte sie die Anatomie von Drake von einem Ende zum andern durchgelesen. Sie hatte in Wharton über Gehirnkrankheiten geblättert und Graaf über Knochen und Muskeln [Herr Shandy muß sich hier irren; Graaf schrieb über den Brustdrüsensaft und die Zeugungstheile.] entlehnt; aber sie vermochte nichts damit anzufangen.
    Sie hatte dann in selbstständiger Weise über die Sache nachgesonnen, – Theorien abgestellt, – Schlüsse gezogen, – war aber zu keinem rechten Ergebniß gelangt.
    Um sich endlich ganz klar zu werden, hatte sie
Dr.
 Slop zwei Mal gefragt: Ob der arme Kapitain Shandy wohl jemals von seiner Wunde hergestellt würde?
    Er ist hergestellt, pflegte
Dr.
 Slop zu sagen.
    Vollständig?
    Vollständig, Madame.
    Was verstehen Sie unter hergestellt? pflegte dann Frau Wadman zu fragen.
    Dr.
 Slop verstand sich auf nichts weniger als auf Definitionen; so konnte Frau Wadman nichts von ihm erholen.
    Kurz es blieb schließlich nichts übrig als es aus meinem Onkel Toby selbst heraus zu bringen suchen.
    Man kann bei einer Nachforschung dieser Art etwas so Menschenfreundliches in den Ton legen, was jeden Verdacht einschläfert; – und ich bin überzeugt, die Schlange im Paradiese kam in ihrer Unterhaltung mit Eva diesem Ton ziemlich nahe; denn der Hang, den das schöne Geschlecht besitzt, sich täuschen zu lassen, konnte doch nicht so groß sein, daß sie (Eva) die Kühnheit gehabt haben sollte mit dem Teufel zu plaudern, wenn jenes nicht gewesen wäre. – Aber es gibt einen so menschenfreundlichen Ton: – wie soll ich ihn beschreiben? – es ist ein Ton, der den fraglichen Theil gewissermaßen mit einem Gewande bedeckt und dem Frager ein Recht gibt, darin so ins Detail zu gehen wie unser Leibarzt.
    Ob es später nicht nachgelassen
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