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Moerderische Idylle

Moerderische Idylle

Titel: Moerderische Idylle
Autoren: Leif GW Persson
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    Växjö, Freitag, 4. Juli, morgens Es war die Nachbarin, die Linda gefunden hatte, und abgesehen von allem anderen war das besser, als wenn es ihre Mutter gewesen wäre. Außerdem hatte die Polizei damit sehr viel Zeit gewonnen. Die Mutter hatte erst am Sonntagabend zurück in die Stadt kommen wollen, und außer ihr und ihrer Tochter wohnte niemand in der Wohnung. Je früher, desto besser, wenn wir es mit den Augen der Polizei sehen, vor allem wo es sich um einen Mord mit unbekanntem Täter handelte.
     
    Schon um fünf vor acht morgens war in der Bezirkszentrale der Polizei von Växjö Alarm gegeben worden, und ein Streifenwagen, der sich in nächster Nähe befunden hatte, war hingefahren. Nur drei Minuten später meldete die Streife sich wieder. Sie waren jetzt vor Ort, die Frau, die Alarm gegeben hatte, saß in sicherem Verwahr auf der Rückbank, und die Kollegen hatten nun vor, ins Haus zu gehen und sich ein Bild von der Lage zu machen. Die Funkstreife der Polizei von Växjö hätte um diese Zeit eigentlich in der Garage des Polizeigebäudes stehen sollen, weil gerade der Wechsel von Nacht- auf Frühschicht stattfand und fast alle Polizisten vom Nachtdienst unter der Dusche standen oder im Kaffeezimmer saßen und auf Morgenandacht und Dienstschluss warteten. Der Wachhabende selbst hatte den Anruf angenommen. Die beiden jüngeren Kollegen, die sich daraufhin gemeldet hatten, hatten sich innerhalb der lokalen Truppe schon einen ansehnlichen Ruf erwerben können. Leider war dieser Ruf nicht uneingeschränkt positiv, und da der Wachhabende doppelt so alt war, auf dreißig Dienstjahre zurückblickte und sich nach dieser langen Zeit für gewaltig gegerbt und erfahren hielt, hatte er zuerst Verstärkung schicken wollen, wen immer man um diese Zeit schicken könnte, aber während er noch mit diesen Überlegungen beschäftigt gewesen war, hatte die betreffende Streife sich wieder gemeldet. Nach nur acht Minuten und noch dazu auf seinem Mobiltelefon, damit nicht jede Menge unbefugte Ohren mithören konnten. Jetzt war es Viertel nach acht, und der erste Bericht der Kollegen vom Tatort hatte nur eine Minute in Anspruch genommen.
    Und das war nun wirklich bemerkenswert. Dieses eine Mal, trotz ihrer Jugend, ihres Mangels an Erfahrung und ihres Rufs, hatten sie einfach alles richtig gemacht. Sie hatten alles getan, was von ihnen erwartet wurde, und wo sie schon einmal dabei gewesen waren, hatten sie noch mehr gemacht. Sie hatten sich ein goldenes Sternchen für ihr Dienstbuch verdient, und das noch dazu auf eine Weise, die in der Praxis der Polizeibehörden von Växjö bisher unbekannt gewesen war.
    Im Schlafzimmer der Wohnung hatten sie eine Tote gefunden. Alles sprach dafür, dass die Frau ermordet worden war, und zwar - wie immer die Kollegen das wissen wollten - vor einigen Stunden. Vom Täter gab es keine Spur, außer einem offenen Schlafzimmerfenster hinten im Haus, was immerhin andeutete, auf welche Weise er den Tatort verlassen hatte.
    Leider gab es eine weitere Komplikation. Der jüngere Kollege, mit dem der Wachhabende gesprochen hatte, war davon überzeugt, das Opfer zu kennen, und wenn seine Behauptung nun zutraf, dann bedeutete das unter anderem, dass der Wachhabende selber ihr diesen Sommer schon mehrmals begegnet war, zuletzt, als er am Vortag Feierabend gemacht hatte.
    »Nicht gut, gar nicht gut«, murmelte der Wachhabende und sprach vor allem sich selbst an, wie es aussah. Dann zog er seinen Merkzettel hervor, auf dem die Maßnahmen für den schlimmsten Fall verzeichnet waren. Es war eine halbe eingeschweißte A4-Seite mit etwa einem Dutzend Anhaltspunkten und der bemerkenswerten Rubrik »Wenn hmmm-hmmm bei Job in den Ventilator gerät«. Er legte diesen Zettel immer unter seine Schreibunterlage, sowie er den Dienst antrat, und es war fast vier Jahre her, dass er ihn zuletzt hatte hervorziehen müssen.
    »Okay, Jungs«, sagte der Wachhabende. »Dann machen wir das so…«
    Danach hatte auch er alles getan, was man mit Fug und Recht von ihm verlangen konnte. Wenn auch nicht mehr, denn solche Übertreibungen schätzte man in seinem Alter nun gar nicht mehr.
     
    In dem Streifenwagen, der als Erster am Tatort eintraf, saßen zwei jüngere Ordnungspolizisten aus Växjö. Der stellvertretende Polizeiinspektor Gustaf von Essen, dreißig Jahre alt und bei der Truppe als »Graf« bekannt, obwohl er die Sache sehr genau nahm und immer wieder klarstellte, dass er trotz allem nur »ein ganz normaler Freiherr« war.
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