Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
Teufel in allen Weibern stecke und daß der Kern der Sache lediglich Lüsternheit sei,« sondern auch daß jedes Uebel, jede Unordnung auf der Welt, welcher Natur oder welchen Charakters sie auch sei, von dem Fall Adams bis zu dem meines Onkels Toby (inclusive) auf die eine oder die andere Art der gleichen unordentlichen Begierde zuzuschreiben sei.
    Yorick war eben damit beschäftigt die Hypothese meines Vaters etwas zu mäßigen, als mein Onkel Toby mit so unendlicher Güte und Vergebung in seinen Blicken in das Zimmer trat, daß die Beredsamkeit meines Vaters sich daran von neuem zur Leidenschaft entzündete; – und da er, wenn einmal ärgerlich, nicht sehr fein in der Wahl seiner Worte war, – so brach mein Vater, sobald mein Onkel Toby am Feuer Platz genommen und seine Pfeife gefüllt hatte, in folgender Weise los:

312. Kapitel.
    Ich bin weit entfernt davon läugnen zu wollen, daß Vorkehrungen getroffen sein müssen. um die Rasse eines so großen, erhabenen und gottähnlichen Wesens wie der Mensch ist, fortpflanzen, – allein die Philosophie darf über Alles frei sprechen, und so denke und behaupte ich, es sei eine traurige Sache, daß jenes Ziel mittelst einer Leidenschaft erreicht werden muß, welche die geistigen Fähigkeiten niederdrückt, und alle Weisheit, Beschaulichkeit und Seelenthätigkeit über den Haufen wirft, – eine Leidenschaft, mein Schatz, fuhr mein Vater fort, indem er sich gegen meine Mutter wandte, die weise Männer mit Narren paart und gleichstellt, und uns aus unseren Höhlen und Verstecken mehr wie Satire und vierfüßige Bestien als wie Menschen hervortreibt.
    Ich weiß wohl, fuhr mein Vater in vorbeugender Weise fort, daß man mir entgegen halten kann, die Sache sei an und für sich und einfach genommen weder gut noch schlimm, – noch schmählich oder sonst etwas – vielmehr etwas wie Hunger oder Durst oder das Bedürfniß des Schlafs. – Warum aber empörte sich das Zartgefühl eines Diogenes und Plato so gegen sie? warum löschen wir das Licht, wenn wir uns anschicken einen Menschen zu machen? und weshalb sind alle einzelnen Momente dieser Geschichte, – das Aneinanderkommen, – die Vorbereitungen, – die Instrumente und was man sonst dazu braucht, der Art gestaltet, daß sie einem reinen Gemüth weder durch Sprache noch durch Uebersetzung oder Umschreibung deutlich gemacht werden können?
    Wenn man einen Menschen tödtet, vernichtet, fuhr mein Vater mit gehobener Stimme fort – indem er sich gegen meinen Onkel Toby wandte, – so kann das bekanntlich ruhmvoll sein, – und die Waffen, womit wir es vollbringen, sind ehrenwürdige Geräthe; – wir marschiren mit ihnen auf der Schulter, – wir stolziren mit ihnen an der Seite, – wir vergolden sie – wir ciseliren sie – wir legen sie mit Gold ein, – wir schmücken sie; – ja sogar einer schuftigen Kanone setzen wir Zierrathen auf das Bodenstück.
    Mein Onkel Toby legte seine Pfeife nieder, um der Kanone ein besseres Beiwort herauszuschlagen, – und Yorick erhob sich, eben um die ganze Hypothese nieder zu kanoniren, –
    Als Obadiah in das Zimmer trat und eine Klage vorbrachte, die augenblickliche Anhörung erheischte.
    Der Fall war dieser:
    Mein Vater war nach altem gutsherrlichem Brauch oder als Besitzer großer Zehentgüter verpflichtet, einen Stier für die Bedürfnisse des Sprengels zu halten, und Obadiah hatte ihm an einem gewissen Tag im vorigen Sommer seine Kuh auf einen Dienstbesuch zugeführt; – ich sage an einem gewissen Tage – weil es zufällig derselbe Tag war, an welchem er meines Vaters Zimmermädchen heirathete; – so daß dieselbe Berechnung für beide galt. Als daher Obadiah's Frau in die Wochen kam, – dankte Obadiah Gott.
    Jetzt bekomme ich ein Kalb, sagte Obadiah, und besuchte von da an täglich die Kuh.
    Sie wird am Montag kalben, – oder am Dienstag, – spätestens am Mittwoch.
    Aber die Kuh kalbte nicht; – nein, – sie kalbte auch in der nächsten Woche nicht, – sie schob es entsetzlich hinaus; – endlich in der sechsten Woche fiel Obadiah's Verdacht (als eines guten Ehemanns) auf den Stier.
    Da nämlich das Kirchspiel sehr groß war, so war meines Vaters Stier, um die Wahrheit zu gestehen, der Sache nicht ganz gewachsen; er war jedoch auf eine oder die andere Art in dieses Amt gedrängt worden, und da er das Geschäft mit einer ernsten Miene versah, hatte mein Vater eine hohe Meinung von ihm.
    Die meisten Ortsbürger meinen, die Schuld liege an dem Stier, Euer Gnaden, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher